Öffentlichkeitsarbeit


Sondervoten und Dissenshinweise der Deutschen Borreliose Gesellschaft (DBG)


In 07/17 hat die DBG in knapper und präziser Form Sondervoten und Dissenshinweise formuliert und um Einbeziehung in den Leitlinientext ersucht. Diesem Wunsch der DBG wurde bis heute rechtswidrig nicht entsprochen. Im Folgenden werden die Sondervoten und Dissenshinweise im Einzelnen dargestellt.

 

Die Einreichung der Sondervoten und Dissenshinweise erfolgte am 22.06.17 mit folgendem Begleitbrief, gerichtet an das federführende Mitglied der Steuergruppe, Herrn Prof. Rauer. Der Inhalt des Begleitbriefes lautet wie folgt:

 

 

Sehr geehrter Herr Rauer,

 

im Folgenden nehme ich zu Ihren Kommentaren in Bezug auf meine Ausführungen (gemeint ist meine E-Mail mit Anhang vom 30.03.17) Stellung. Zunächst möchte ich darauf hinweisen, dass meine Kommentierung vom 30.03.17 stammt, Ihr Kommentar jedoch erst am 22.06.17 übersandt wurde.

 

Ihrer E-Mail an Frau Fischer (BFBD) vom 18.07.17 entnehme ich, dass Sie Sondervoten (sinngemäß) wegen Terminvereinbarungen nicht mehr akzeptieren, da angeblich eine „Einreichung der Sondervoten bis zum 06.04.17 vereinbart worden sei“. Für die Deutsche Borreliose Gesellschaft stelle ich fest, dass eine solche Vereinbarung nicht getroffen wurde. Eine Vereinbarung muss einhellig, einträchtig und freiwillig geschlossen werden. Aus Sicht der DBG sind diese Voraussetzungen nicht gegeben. Ich bitte sie daher um Mitteilung, auf welcher Rechtsbasis Sie eine rechtsverbindliche Vereinbarung möglicherweise mit Vertragscharakter stützen.

 

Sie fordern, dass Sondervoten sich auf Zeitschriften mit einem Peer-Review-Verfahren stützen. Die von mir eingereichte Literatur ist generell in solchen Zeitschriften publiziert worden. Falls Sie wider Erwarten Ausnahmen feststellen können, bitte ich um kurze Mitteilung.

 

Bei dem Text (E-Mail der DBG vom 30.03.17) „S3-LL-Neuroborreliose, Sondervoten und Dissenshinweise der Deutschen Borreliose Gesellschaft“ handelt es sich erkennbar nicht um abschließend formulierte Sondervoten und Dissenshinweise. Vielmehr geht aus Umfang und Art des Textes hervor, dass die Inhalte der vorgesehenen (!) Sondervoten der DBG der Steuerungsgruppe zur Kenntnis gebracht werden sollten und zwar ausschließlich zur Überprüfung der Akzeptanz von Seiten der Steuergruppe.

 

Nachfolgend werden die Sondervoten in gebotener Kürze „kurz und prägnant“ dargestellt. Falls sich größere Schwierigkeiten ergeben sollten, ist die DBG selbstverständlich bereit, eventuell ein erneutes Kleingruppengespräch zu führen. In einem solchen Fall würde die DBG jedoch auf einer subtilen und von allen Seiten anerkannten Protokollierung bestehen.

 

In meiner E-Mail vom 30.03.17 hatte ich vorsorglich die Literatur erneut beigefügt, um den Arbeitsprozess zu vereinfachen. Der DBG ist selbstverständlich bewusst, dass Sondervoten nicht mit Literatur im LL-Text eingebracht werden. Jedoch beantragt die DBG, dass die gesamte Literatur im Begleittext aufgeführt wird und dass auf diese Literatur im LL-Text im Zusammenhang mit den Sondervoten und Dissenshinweisen hingewiesen wird.

 

Die Behauptung der Steuergruppe, dass die erneute Überprüfung der Literatur zu dem Ergebnis führte, dass die Feststellungen der DBG wissenschaftlich nicht nachvollziehbar seien, ist willkürlich, bleibt unbegründet und wird nicht einmal beispielsweise erläutert. Falls Sie bestimmte Literaturstellen im Hinblick auf die Kommentierung durch die DBG für ungeeignet halten, sollten Sie die Publikationen einzeln benennen. Die DBG behält sich vor, ggfs. erneut Stellung zu nehmen, falls Sie die Ansichten der Steuergruppe als relevant betrachtet.

 

Ihre Mitteilung, dass Sie zu einer Fortführung der Diskussion zwischen Steuergruppe und DBG nicht bereit sind, ist ebenfalls unbegründet und rechtlich problematisch. Die DBG ist Mitglied der Konsensusgruppe und besteht auf uneingeschränktem Recht auf Mitwirkung, d.h. die DBG möchte in freier und eigener Entscheidung über ihre eingebrachten Sondervoten und Dissenshinweise entscheiden. Eine Beeinflussung oder Verhinderung der Mitwirkung der DBG wird zurückgewiesen. Falls Sie in diesem Zusammenhang ein anderes Vorgehen für gerechtfertigt halten, bitte ich um Mitteilung der rechtlichen Grundlage.

 

Die DBG weist eine Unterbringung ihrer Sondervoten und Dissenshinweise (ausschließlich) im Leitlinienreport zurück. Aufgrund der hohen Expertise trägt die DBG wesentlich zur Qualität der Leitlinien bei. Hieraus folgert, dass die wichtigen Sondervoten und Dissenshinweise im Leitlinientext in Inhalt, Form und Darstellung in gleicher Weise wie „Empfehlungen“ zur Darstellung kommen sollen.

 

Die von Ihnen in Aussicht gestellte Zusendung der „Finalisierten Version der Leitlinien“ wird ebenfalls von Seiten der DBG zurückgewiesen. Der aktuelle Leitlinientext enthält zahlreiche gravierende Fehlinformationen, die dringend einer Richtigstellung durch Sondervoten und Dissenshinweise bedürften. Solange dieser Prozess nicht abgeschlossen ist, ist die Steuergruppe nicht berechtigt, eine finalisierte Version zu publizieren.

 

Im Schreiben vom 22.06.17 wurden der Steuergruppe von der DBG folgende Sondervoten und Dissenshinweise übermittelt:

 

1.1.1 Sondervotum

Der Begriff „Neuroborreliose“ bezeichnet die Summe neurologischer Manifestationen der Lyme-Borreliose. Es handelt sich also nicht um eine eigenständige Krankheit.

 

1.1.3 Sondervoten

Neurologische Symptome treten bei der Lyme-Borreliose nur in 15 % der Fälle auf. Etwa 85 % der LB-Patienten sind neurologisch unauffällig. 

 

Die Publikation von Huppertz et al, 1999 betraf ein präselektiertes Kollektiv und war lediglich auf die Inzidenz und nicht auf die Häufigkeit einzelner Krankheitsmanifestationen ausgerichtet.

 

Ein EM tritt bei der Lyme-Borreliose in höchstens 70 % der Fälle auf, d.h. bei 30 % der LB-Patienten fehlt das EM.

 

2.2 Sondervotum

Studien zur Häufigkeit der Polyneuropathie ohne ACA in Europa liegen nicht vor.

 

3.3 Sondervotum

Bei der akuten Lyme-Neuroborreliose haben intrathekale IgM AK höhere diagnostische Bedeutung als IgG AK. Die Sensivität beträgt 100 % versus 57 %. 

 

3.3.1 Sondervotum

Seronegativität, d.h. Fehlen von Antikörpern liegt bei 30 % der Patienten mit Lyme-Borreliose im Spätstadium vor. Die in der Tabelle angegebene Häufigkeit von 100 % ist wissenschaftlich nicht belegt.

 

3.11 Sondervotum

Eine Pleozytose bei LNB tritt nur im Zusammenhang mit einer Meningitis auf. Bei der akuten Lyme-Neuroborreliose ist eine Pleozytose stets nachweisbar, bei anderen Formen der Lyme-Neuroborreliose, insbesondere im Spätstadium (Encephalitis, Myelitis, Radikulitis, cranielle Neuropathie, Plexopathie, Neuritis, Neuritis multiplex) liegt in einem relevanten Anteil keine Pleozytose vor, d.h. die Pleozytose ist bei diesen Manifestationen nicht obligat.

 

3.12 Sondervotum

Der Lymphozytentransformationstest (LTT, von Baehr et al, 2012) ist von hoher diagnostischer Wertigkeit bei der Lyme-Borreliose, insbesondere bei Fällen mit typischer klinischer Symptomatik und Seronegativität.

 

3.12 Sondervotum

Ein normaler Liquor schließt in einem relevanten Anteil der Fälle eine Lyme-Neuroborreliose im Spätstadium nicht aus.

 

4.1 Dissenshinweis

Das PTLDS stellt eine Hypothese dar. Es handelt sich um Symptome, die bei nachgewiesener Lyme-Borreliose auftraten und nach antibiotischer Behandlung nicht verschwanden. In diesem Zusammenhang wird angenommen, dass eine so genannte adäquate Behandlung nach Standard, basierend auf Meinungen (Empfehlungen) verschiedener Fachgesellschaften und nicht auf evidenzbasierten Studien, die Beseitigung der Lyme-Borreliose garantiert. In der praktizierten Medizin und in forensischen Zusammenhängen wird oft ein Zusammenhang zwischen Lyme-Borreliose und PTLDS negiert und zwar grundsätzlich ohne Angabe von Gründen, da keine wissenschaftliche Literatur zur Problematik vorliegt. – Eine Unterscheidung zwischen einer Lyme-Borreliose im Spätstadium und einem so genannten PTLDS ist nicht möglich. Die Lyme-Borreliose im Spätstadium ist als Krankheitszustand in der wissenschaftlichen Literatur eindeutig definiert, es handelt sich also um eine Tatsache, das PTLDS ist dagegen eine Hypothese. Eine Unterscheidung zwischen Tatsache und Hypothese ist mit den Gesetzen der Logik nicht vereinbar.

 

4.2.4. Dissenshinweis

Die chronische Lyme-Borreliose und die chronische Lyme-Neuroborreliose sind begrifflich identisch mit der LB bzw. LNB im Spätstadium. Die LB im Spätstadium bei persistierender Infektion nach antibiotischer Behandlung ist in der Literatur vielfach beschrieben und häufig belegt durch Erregernachweis. Der Krankheitszustand beruht auf einer persistierenden Infektion und erfordert eine adäquate antibiotische Behandlung.

 

4.4 Sondervotum

Die Encephalopathie kommt bei der Lyme-Borreliose und Lyme-Neuroborreliose im Spätstadium bei mindestens 60 % der Fälle vor. Sie führt zu erheblichen kognitiven und affektiven Störungen mit entsprechender Auswirkung auf die Sozialfunktionen.

 

5.3 Sondervotum

Evidenzbasierte Studien zur antibiotischen Behandlung der Lyme-Borreliose und Lyme-Neuroborreliose liegen nur für das Frühstadium vor, nicht jedoch für das Spätstadium. Die Übertragung von Behandlungsprinzipien des Frühstadiums auf das Spätstadium ist daher wissenschaftlich nicht begründet. Dies gilt insbesondere für die Angaben in Tabelle 5 zur antibiotischen Behandlung der späten Neuroborreliose.