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Häufigkeit der LB in Deutschland |
Die Häufigkeit einer Erkrankung wird durch die Inzidenz und Prävalenz definiert. Inzidenz ist die Anzahl von Neuerkrankungen in einem bestimmten Zeitraum (z.B. ein Jahr). Die Prävalenz beziffert
die Anzahl von Erkrankungen, die in einem bestimmten Zeitraum (ebenfalls z.B. ein Jahr) vorliegen. Inzidenz ist also der Parameter für die Neuerkrankungen, Prävalenz der Parameter für die
Gesamtzahl der Erkrankten, also „neue und alte Krankheitsfälle“.
Die Häufigkeit der Lyme-Borreliose hat in der Bundesrepublik Deutschland unter medizinischen, gesundheitspolitischen, sozialpolitischen und wirtschaftspolitischen Aspekten erhebliche
Bedeutung.
Da die Lyme-Borreliose eine in hohem Maß zum chronischen Verlauf tendierende Infektionskrankheit ist, insbesondere wenn die Krankheit durch Verkennung überhaupt nicht oder infolge verzögerter
Diagnose zu spät antibiotisch behandelt wird, kommt der Bestimmung der Prävalenz unter den genannten Aspekten die entscheidende Bedeutung zu. Eine Bestimmung der Prävalenz, also der Anzahl von
Borrelioseerkrankten, könnte theoretisch durch Registrierung auf der Basis der Meldepflicht erfolgen. Dabei ist jedoch zu bedenken, dass nur solche Fälle erfasst würden, die sich wegen der
Erkrankung einer ärztlichen Untersuchung unterzögen und bei denen der betreuende Arzt die Diagnose einer Lyme-Borreliose feststellen und melden würde. Die Methode wäre also eingeschränkt durch
die Initiative des Patienten und die Leistungsfähigkeit des Arztes. Dennoch wäre eine solche Erfassung der Prävalenz durch Meldepflicht eine wesentliche und effektive Methode und böte die Basis
für eine approximative Berechnung für die wahrscheinliche Krankheitshäufigkeit.
Da die direkte Erfassung der Prävalenz also erheblichen Unsicherheiten unterliegt, greift die epidemiologische Wissenschaft auf zwei Faktoren zurück, die auf die Gesamt-Häufigkeit der
Lyme-Borreliose schließen lassen:
Bei einer mathematischen Kalkulation der Prävalenz wäre ein weiterer Faktor von entscheidender Bedeutung, nämlich die durchschnittliche Dauer der chronischen Lyme-Borreliose. Hierzu bietet die
aktuelle Literatur jedoch keine belastbaren Daten.
Die Literaturangaben zur Inzidenz weisen sehr große Unterschiede auf und betreffen meistens vorselektierte Kollektive, also Patientengruppen, die z.B. zu Spezialkliniken überwiesen wurden oder
die an Krankheitsmanifestationen, die bestimmten Fachgebieten zuzuordnen sind, litten (Hanrahan et al., 1984 (2), Schmutzhard et al., 1988 (3), Fahrer et al., 1991 (4), Gustafson et al., 1992
(5), Alpert et al., 1992 (6), Heininger et al., 1993 (7), Kuiper et al.,1993 (8)). Eine Studie über ein unselektiertes Kollektiv liegt weder für die Bundesrepublik Deutschland noch für ein
anderes Land vor.
Für die Bundesrepublik Deutschland haben allerdings die Publikationen von Huppertz et al. 1999 (9) und Hassler, 1997 (10) im Hinblick auf die Inzidenz Bedeutung. Allerdings ist bei diesen
Arbeiten zu beachten, dass sie aus endemischen Gebieten stammen, wie dies auch für die grundlegende Studie von Steere et al. (11) über die Häufigkeit der Lyme-Borreliose in dem endemischen Gebiet
der USA gilt, in dem die Lyme-Krankheit entdeckt wurde.
Bei der Arbeit von Huppertz et al., 1999 (9) ist zu beachten, dass für die Diagnose der Lyme-Borreliose folgende Einschlusskriterien gewählt wurden: Erythema migrans, Lymphozytom, Arthritis,
Neuroborreliose, Karditis und Acrodermatitis chronica atrophicans mit serologischer Bestätigung. Einwände gegen die Arbeit betreffen also unter anderem die Tatsachen, dass das Erythema migrans
nur in 50-70% der Fälle, mitunter noch seltener (Ziska, 1996 (24), Satz, 2002 (23)) bei Lyme-Borreliose auftritt (Asch, 1994 (14), Culp, 1987 (25)), dass die übrigen Einschlusskriterien oft
Ausdruck eines Spätstadiums sind, also weniger der Gruppe der Neuerkrankungen (Inzidenz) zuzuordnen sind und dass etwa 40% der Patienten mit Lyme-Borreliose seronegativ sind (Klempner et al.,
2001 (17)). Ferner ist zu beachten, dass bei knapp 90% der Neuerkrankungen (Inzidenz) ausschließlich ein Erythema migrans vorlag und keine sonstigen Symptome einer Borreliose. Allein unter dem
Aspekt des Zusammenhangs mit dem Erythema migrans, das wie bereits erwähnt nur in 50-70% der Lyme-Borreliose-Kranken auftritt, ergibt sich eine entsprechende Unterschätzung der Inzidenz, die
tatsächlich etwa doppelt so hoch liegen müsste wie in der Arbeit von Huppertz et al., 1999 (9) angegeben. – Generell kann festgestellt werden, dass bei Studien mit einem relativ hohen Anteil mit
Erythema migrans und eher geringen Anteil von Symptomen der Spätmanifestationen eine unzureichende Erfassung der chronischen Fälle vorliegt.
Die Erfassung der Patienten mit Lyme-Borreliose erfolgte in der Arbeit von Huppertz et al., 1999 (9) im Zusammenwirken mit den ortsnahen niedergelassenen Ärzten und den regionalen Krankenhäusern.
Bei einer solchen Erfassung gelten die gleichen Einschränkungen wie sie im Zusammenhang mit der Meldepflicht dargestellt wurden.
Im Hinblick auf die Arbeit von Hassler, 1997 (10) ist der Hinweis des Autors selbst zu beachten, dass eine nicht genau abschätzbare Dunkelziffer daraus resultiert, dass nicht alle Einwohner der
untersuchten Region wegen Symptome einer Lyme-Borreliose den Arzt aufsuchten oder andernorts ärztlich betreut wurden. Der Anteil von Neuerkrankungen ohne Erythema migrans beträgt in der
Hassler-Arbeit in Übereinstimmung mit sonstigen Literaturangaben 50%. Dabei macht der Autor allerdings keine Angaben, inwieweit die Fälle ohne EM eher einem Spätstadium zuzuordnen sind; die
Angaben zur Neuerkrankung betreffen in ca. 60% der Fälle die Gelenke und in über 50% das zentrale Nervensystem, 34% entfallen auf kardiale Symptome.
Die Inzidenz-Quoten aus diesen drei wichtigen Arbeiten sind in der Tabelle 2.1 dargestellt.
Die Problematik, die Prävalenz durch Befragung von Ärzten festzustellen, ergibt sich z.B. aus dem Projekt „Geographische Epidemiologie und Borreliose in Brandenburg“ (Talaska, 1998 (22)). Dabei
betrug die Anzahl von jährlichen Neuerkrankungen 2 bis 40 Fälle/100.000 Einwohner. Dies entspricht einer Inzidenz von 0,0002-0,004%. Eine ähnliche Größenordnung ergaben auch Untersuchungen im
süddeutschen Raum (Talaska, 1998 (22)). Diese Zahlen stehen also in einem absurden Widerspruch zu denen prospektiver Studien (vgl. Tab. 2.1).
Bei der Kalkulation der Prävalenz, also der Anzahl von Borreliose-Patienten in der Bundesrepublik Deutschland, sind folgende Faktoren zu beachten:
Da bei Fehlen eines Erythema migrans in der Frühphase in aller Regel eine rechtzeitige Diagnose nicht erfolgt und somit in der entscheidenden Phase, d.h. innerhalb der ersten vier Wochen nach
Infektions-Beginn, keine antibiotische Behandlung eingeleitet wird, ist mit einer entsprechend hohen Quote an chronischen Verläufen zu rechnen. Da zudem Erstmanifestationen im Spätstadium oft
erst nach Jahren auftreten und das krankheitstypische Erythema migrans im Spätstadium eher selten ist, wird der Zusammenhang mit erfolgtem Zeckenstich bzw. einer Borrelien-Infektion oft verkannt;
es resultiert eine hohe Quote von Krankheitsverkennung und -verneinung bzw. Fehldiagnosen.
Aktuell beruhen Fehleinschätzungen bei Inzidenz und Prävalenz der Lyme-Borreliose weiterhin auf einem defizitären Wissens- und Informationsstand. Die Kenntnis über Krankheitszusammenhänge und
-manifestationen der Lyme-Borreliose sind (noch) unzureichend und die diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten begrenzt.
Wird einer überschlägigen Kalkulation eine Inzidenz von 0,6% zugrunde gelegt, ergibt sich in der Bundesrepublik Deutschland eine Zahl von 500.000 Neuerkrankungen/Jahr. Da die derzeitige
Versagerquote bei der üblichen antibiotischen Behandlung im Frühstadium, also beim Erythema migrans 10%, im chronischen Stadium etwa 50% beträgt, ergibt sich ein entsprechender Zuwachs der
Gesamtzahl an Borreliose-Kranken (Prävalenz). Schließlich ist die Dauer der chronischen Lyme-Borreliose zu beachten; zuverlässige Zahlen zu diesem Parameter liegen nicht vor. Aus der Literatur
und auch aus der Erfahrung zahlreicher auf dem Gebiet der Borreliose tätigen Ärzte ergibt sich jedoch, dass mit einer Verlaufsdauer von mindestens fünf Jahren zu rechnen ist. Bei Auftreten eines
Erythema migrans geht ein Viertel der Fälle in eine chronische Borreliose über (Horst, 1988, 1990 (19, 20)); wird zudem die Quote des Erythema migrans von 50-70% bei Neuerkrankungen
berücksichtigt, ergibt sich, dass etwa 40% der Borreliose-Neuerkrankungen in ein chronisches Stadium übergehen.
Die Gesamtkalkulation unter diesen Prämissen würde also ergeben, dass etwa 1 Million Menschen in der Bundesrepublik Deutschland an einer Lyme-Borreliose leiden (Prävalenz).
Ein Krankheitsbild, das die betroffenen Patienten über viele Jahre schwer belastet, oft mit gravierenden sozialen Auswirkungen, duldet keine Unterschätzung. Nur eine angemessene Strategie auf
medizinisch-wissenschaftlichem und politischem Gebiet wird den an Lyme-Borreliose erkrankten Menschen die erforderliche Hilfe bringen.
Würde jedoch unter Missachtung oder Verneinung der dargestellten Zusammenhänge, die derzeit „allgemein diskutierte“ Inzidenzquote (jährliche Neuerkrankungen) von 100.000 zugrunde gelegt, ergäbe
sich selbst bei einer solch restriktiven Einschätzung eine Prävalenz von 250.000 Borreliose-Patienten in Deutschland.
Auffallend ist auch die Tatsache, dass ca. 10 bis 15% der Bevölkerung in verschiedenen Bundesländern serologisch positiv sind (vgl. Satz, 2002 (23)). Die Bedeutung dieser hohen Zahl an
serologisch positiven Menschen wird durch die Erkenntnis verstärkt, dass ein pathologisch serologischer Befund meist innerhalb von Jahren nach Abklingen der Krankheit verschwindet (Hassler, 1997
(10)). Zusätzlich ist zu beachten, dass etwa 40% der Borreliose-Patienten seronegativ sind (Klempner et al., 2001 (17)). Noch wichtiger erscheint jedoch die Erkenntnis, dass Menschen mit einem
pathologischen Serologie-Befund in aller Regel früher oder später an einer Borreliose erkranken (Hassler, 1997 (10)).
Eine repräsentative, nicht selektierte Stichprobe aus der Gesamtbevölkerung eines Hochendemiegebietes ergab bei 17% des Kollektivs (2.628 Probanden) einen pathologischen serologischen Befund. Von
diesen serologisch positiven Personen zeigten gut die Hälfte klinische Symptome einer Borreliose (Hassler, 1997 (10)), so dass sich hieraus eine Prävalenz für das Vorliegen einer Borreliose von
ca. 8% ergeben würde.
In Langzeituntersuchungen dieses Kollektivs zeigte Hassler, 1997 (10), dass alle seropositiven Probanden in der Folgezeit erkrankten. Die maximale Latenz bis zum Auftreten von Krankheitssymptomen
betrug 8 Jahre.
Entsprechend gibt Hassler, 1997 (10) für dieses Hochendemiegebiet eine Sero-Prävalenz von 17% und eine Inzidenz von 0,5% an. Die auffällige Diskrepanz zwischen Inzidenz (jährliche Neuerkrankung)
und der Sero-Prävalenz (Prozentsatz seropositiver Einwohner im Untersuchungsgebiet) beruht wahrscheinlich auf einer Unterschätzung der Inzidenz oder signalisiert chronische Krankheitsverläufe
über Jahrzehnte.
Auch in den USA wurde in einem endemischen Gebiet eine Sero-Prävalenz in der Größenordnung von 16% festgestellt, davon war etwa die Hälfte „subklinisch infiziert“ (Steere et al., 1986
(11)).
Die Probleme bei der Erfassung der Sero-Prävalenz werden in einigen anderen Publikationen deutlich. In der Studie von Cetin et al., 2006 (31) wurde die Sero-Prävalenz bei 1.250 Jägern untersucht.
Es zeigte sich eine deutliche Relation zum Lebensalter. Bei Personen unter 29 Jahren lag die Sero-Prävalenz bei 33%, bei über 70 Jahren betrug sie 83%. Im Mittel ergab sich ein Wert von 54%. Alle
untersuchten Personen waren asymptomatisch. – In der Arbeit von Dehnert et al., 2012 wurden etwa 12.600 Kinder und Jugendliche untersucht. Die Sero-Prävalenz betrug 4%, bei Katzenhaltung waren
die Werte etwas höher (21).
Bei Verlaufsbeobachtungen an 502 Patienten mit Borreliose-typischen Beschwerden waren 75% seropositiv und 25% seronegativ (Hassler, 1997 (10)).
Neben der Arbeit von Hassler, 1997 (10) gibt es keine andere Publikation, die in ähnlicher Weise die Problematik der Inzidenz und Sero-Prävalenz der Lyme-Borreliose erfasst. Selbst wenn man
berücksichtigt, dass die Analyse von Hassler ein Hochendemiegebiet betrifft, ist für das Gesamtterritorium der Bundesrepublik Deutschland mit einer hohen Prävalenz zu rechnen.
Die auch international berücksichtigte Arbeit von Huppertz et al., 1999 (9) gibt die Inzidenz für den Raum Würzburg mit 0,1% an. Sie beträgt also etwa 20% des Wertes in dem von Hassler, 1997 (10)
untersuchten Endemiegebiet. Wie schon ausgeführt, ist in diesem Zusammenhang zu beachten, dass Huppertz et al., 1999 (9) eine vermittelte Erfassung durch Zusammenwirkung mit niedergelassenen
Ärzten und regionalen Krankenhäusern vornahm, während Hassler, 1997 (10) eine definierte Bevölkerungsgruppe systematisch und eigenständig untersuchte; es lag also im Gegensatz zu der Arbeit von
Huppertz keine Präselektion vor. – Zudem ist zu beachten, dass in der Studie von Huppertz et al., 1999 (9) als Einschlusskriterien ein Erythema migrans, Symptome einer chronischen Borreliose
sowie ein positiver serologischer Befund gefordert wurden. Diese Einschlusskriterien und die indirekte Erfassung dürften zu einer Unterschätzung der Lyme-Borreliose-Häufigkeit führen.
Die von Hassler, 1997 (10) nachgewiesene Sero-Prävalenz findet sich in gleicher Größenordnung in verschiedenen Bundesländern der Bundesrepublik Deutschland (Paul et al., 1987 (26), Schmidt et
al., 1986 (27), Wilske et al., 1985 (28)). Wird bei einer vorsichtigen Kalkulation für die Bundesrepublik Deutschland eine Sero-Prävalenz von nur 5% zugrunde gelegt und bei der Hälfte der
seropositiven Personen das Vorliegen einer Lyme-Borreliose angenommen (basierend auf den Daten von Hassler, 1997 (10) ergäbe sich eine Krankheits-Prävalenz (Anzahl der Krankheitsfälle) von 2,5%
der Bevölkerung). Folglich wäre für die Bundesrepublik Deutschland ständig mit 2 Millionen Patienten zu rechnen, die an Lyme-Borreliose leiden.
Diese theoretischen Berechnungen werden inzwischen durch Daten objektiviert. Nach Erhebungen der Techniker Krankenkasse Deutschland beträgt die Inzidenz der Lyme-Borreliose, also die jährlichen
Neuerkrankungen in Deutschland 2008, im Durchschnitt etwa 1%. Die auf die verschiedenen Bundesländer entfallenden Zahlen reichen von 0,3% (Nordrhein-Westfalen) bis 1,96% (Sachsen). In der seit
Jahren gleichbleibenden Stammklientel des Verfassers betrug die Prävalenz, d.h. sämtlicher behandlungsbedürftiger Lyme-Borreliosen, 14%. Es liegt in der Natur der Sache, dass mit zunehmendem
Informationsstand der Ärzteschaft die registrierte Prävalenz stetig steigt und sich den tatsächlichen Verhältnissen nähern wird. Die Annahme einer Prävalenz von mindestens 1 Million
behandlungsbedürftiger LB-Patienten in der Bundesrepublik Deutschland ist daher nicht realitätsfern.
Nach jüngsten Erhebungen der Techniker Krankenkasse in Baden-Württemberg litten im Jahre 2009 170.000 Patienten an einer behandlungsbedürftigen Lyme-Borreliose. Dies entspricht einem Anteil von
1,6% der Gesamtbevölkerung, also in etwa den oben dargestellten Verhältnissen (29).
Eine Aktualisierung der Problematik ergibt sich aus einem Beitrag auf dem XI International Jena Symposium on Tick-borne Diseases.
Die GILEAD-Studie befasst sich mit der Häufigkeit der Erkrankung und den zeitgleich durchgeführten Laboruntersuchungen (30).
Im Folgenden wird lediglich zur Häufigkeit Stellung genommen. Dabei werden zur weiteren Verdeutlichung auch Daten einbezogen, die sich auf Erhebungen verschiedener Krankenkassen stützen, die in
der GILEAD nicht berücksichtigt wurden.
Zunächst sei angemerkt, dass folgende Begriffe in Inhalt und Aussage identisch sind:
Entsprechend vorliegender Daten ergibt sich für die o.g. Begriffe folgende Häufigkeit, die in Prozent der Gesamtbevölkerung BRD aufgelistet werden:
In der GILEAD-Studie wird die Inzidenz, gestützt auf DAK-Erhebungen, in 2007 und 2008 mit durchschnittlich 0,26% angegeben. Laut Daten in 2009 betrug die Inzidenz dagegen 0,72%, also etwa das
3-fache.
Da in der GILEAD-Studie die DAK-Zahlen aus 2007 und 2008 zu Grunde gelegt wurden, entspricht die Aussage der Publikation nicht den aktuellen Daten.
Bei der vorliegenden Problematik und den oben aufgeführten Zahlen ist eine Unterschätzung, nicht jedoch eine Überschätzung denkbar. Daher kommt den Zahlen der TK Baden-Württemberg aus 2009 mit
der höchsten Inzidenz von 1,5% die entscheidende Bedeutung zu. Sie liegt etwa 6-fach höher als die Zahl der GILEAD-Studie.
Sämtliche oben aufgeführten Daten wurden tatsächlich von den betreuenden Kassenärzten erhoben und zwar unter Bezugnahme auf ICD A69.2, also auf ein Erythema migrans infolge Bb-Infektion, d.h. ein
Frühstadium der Lyme-Borreliose.
Bei der Gesamtzahl der an Lyme-Borreliose leidenden Patienten ist jedoch nicht nur die Inzidenz (Erythema migrans, Frühstadium) zu beachten, sondern auch die oft über Jahre verlaufende chronische
Lyme-Borreliose (Spätstadium, Stadium III). Die Gesamtzahl der an Lyme-Borreliose leidenden Patienten (Prävalenz) ergibt sich also aus der Inzidenz (neue Fälle, Frühstadium) plus der alte Fällen
(chronische Lyme-Borreliose).
Da keine belastbaren Zahlen zur chronischen Lyme-Borreliose vorliegen, kann aktuell über die Gesamtzahl der an Lyme-Borreliose leidenden Patienten (Prävalenz) nicht fundiert diskutiert
werden.
Entscheidend ist jedoch die ausreichend belegte Tatsache, dass in der BRD jährlich deutlich mehr als 1 Million Patienten an einer Lyme-Borreliose erkranken.
Die GILEAD-Studie geht also nicht nur von einer niedrigen Inzidenz (0,26%) aus, sondern lässt auch die Zahl der Patienten mit chronischer Lyme-Borreliose unberücksichtigt.
Ergänzend sei angemerkt, dass sich die in der GILEAD-Studie angegebenen Laborkosten auf zwei verschiedene Gruppen beziehen:
Bei der Bezugnahme auf die Gesamtzahl korrelieren die Laborkosten selbstverständlich nicht nur mit der Inzidenz, sondern mit der Prävalenz, d.h. Neuerkrankungen + chronische
Erkrankungen; zudem kommen Patienten hinzu, bei denen lediglich die Verdachtsdiagnose einer Lyme-Borreliose bestand. Eine konkrete Zielsetzung bei der Gegenüberstellung von Patientenzahlen und
Laborkosten lässt sich der Studie nicht entnehmen. Sinngemäß vertreten die Autoren die Ansicht, dass die Studie hilft, den Qualitätsstandard für diagnostische Tests und die wirtschaftlichen
Aspekte beim medizinischen Management der Lyme-Borreliose besser einzuschätzen und den Notwendigkeiten anzupassen.