Inhaltsverzeichnis
3.1 Lokalisierte kutane Frühinfektion
3.2 Disseminierte kutane Frühinfektion
3.3 Kutane Spätmanifestationen Acrodermatitis chronica atrophicans (ACA)
3.4 Mit kutaner Borreliose assoziierte Manifestationen am Nervensystem und den Gelenken
Zur Zeit erfolgt eine Überarbeitung der Leitlinie „Kutane Manifestationen der Lyme-Borreliose“ der DDG für die Entwicklungsstufe S2k und IDA. Der aktuelle Entwurfstext entspricht dem Stand vom 30.09.14.
Im Folgenden werden die wesentlichen Inhalte des Textes epikritisch zusammengefasst (Zitat) und jeweils nachfolgend kommentiert (Stellungnahme).
Die Kapiteleinteilung des Textes und deren Bezifferung werden übernommen.
1. Einleitung / Methodik
Zitat
Bei Übertragung von Borrelien durch Zeckenstich wird der Krankheitserreger durch das angeborene Immunsystem sofort abgetötet oder es kommt zu einer lokalen Infektion; nur bei einem kleinen Teil
der Infizierten entwickelt sich eine Erkrankung. Das Erythema migrans ist die häufigste Krankheitsmanifestation.
Stellungnahme
Passage durch Literatur nicht belegt.
Es liegt keine Literatur vor, mit welcher Häufigkeit eine Borrelieninfektion ein Erythema migrans induziert. Auch über die Häufigkeit einer akuten Lyme-Borreliose oder akuten Lyme-Neuroborreliose
(Stadium II) nach Borrelieninfektion liegen keine Daten vor.
Unzutreffend ist die Behauptung, dass es bei einem (nur) kleinen Teil der Infizierten zur Erkrankung kommt. Gemeint ist offensichtlich die Entwicklung einer akuten Lyme-Borreliose (Stadium II)
oder der Übergang ins Spätstadium. Tatsächlich ist die Dissemination mit nachfolgender akuter Erkrankung (Stadium II) und insbesondere der Übergang in das Spätstadium (Stadium III) keinesfalls
selten. Die Seroprävalenz bei der Bevölkerung in Deutschland liegt bei 15% (1-3). Bei diesen seropositiven Personen kommt es in etwa 5% der Fälle zur Erkrankung, also zur Entwicklung einer
Lyme-Borreliose (4, 5). Daraus errechnet sich ein Erkrankungsrisiko der Bevölkerung
(kalkuliert ausschließlich auf der Basis der Seroprävalenz) von etwa 0,75%.
Erkrankungsrisiko Lyme-Borreliose in der Bundesrepublik Deutschland
Seroprävalenz
Erkrankungsrisko bei Seroprävalenz
Erkrankungsrisiko der Bevölkerung
(kalkuliert ausschließlich auf Basis Seroprävalenz)
15%
5%
0,75%
Aus der Häufigkeit der verschiedenen Symptome, insbesondere des Erythema migrans (als Symptom der Frühphase und der Arthritis als häufiges Symptom der Spätphase) lässt sich annähernd die
Häufigkeit eines Stadium III kalkulieren; pauschal ergibt sich aus den Zahlen der verschiedenen Symptome, dass die Spätphase etwa so häufig ist, wie die Frühphase. Entsprechend wird in
verschiedenen Studien zur Häufigkeit der Symptomatik z.B. das Erythema migrans mit 50%, die Lyme-Arthritis mit bis zu 40% angegeben. Auch andere Symptome sind im Vergleich zum Erythema migrans
keinesfalls selten. Auf die nachfolgende Tabelle
sei verwiesen.
Krankheitsmanifestationen | Häufigkeit |
Erythema migrans | 50% |
Grippeähnliche Beschwerden | 80% |
Fatigue | 80% |
Gelenkschmerzen | 70% |
Kopfschmerz | 60% |
Störung der Hirnleistung | 50% |
Psychische Erkrankung | k.A. |
Schlafstörungen | 70% |
Parästhesien | 40% |
Arthritis | 30% |
Halsschmerzen | 25% |
Schweißausbrüche | 20% |
Kardiale Symptome | 15% |
Rezidivierende Hautausschläge | 15% |
Akute Neuroborreliose (Stadium II) | 3,5% |
Periphere Facialisparese | k.A. |
Meningo-Radiculitis (Bannwarth-Syndrom) | k.A. |
Neurologische Erkrankungen: | 16% |
Häufigkeit der neurologischen Manifestationen: | |
Radikulitis | 77% |
Meningitis | 10% |
Encephalitis | 10% |
Myelitis | 3% |
Hirnnervenbefall | 70% |
Polyneuropathie | k.A. |
Augenerkrankung | 10% |
Häufige und wichtige Krankheitsmanifestationen der Lyme-Borreliose.
Die in Prozent angegebene Häufigkeit entspricht annähernd gemittelten Werten aus der Literatur
k.A. = keine Angaben
(Asch ES et al (1), Ziska MH et al (2), Hassler, D (3), Logigian EL et al (4), Fallon BA, Nields JA (5), Culp RW et al (6), Pfister HW et al (7)), Ogrinc et al (8).
2. Mikrobiologie der Erreger
Zitat
Häufigste humanpathogene Genospezies aus dem Borrelia burgdorferi sensu lato Komplex: B. afzelii, B. garinii, B. bavariensis, B. burgdorferi sensu stricto und B.spielmanii. Unklar ist die
Humanpathogenität für B. valaisiana, B. lusitaniae und B.bissettii.
2.1 Epidemiologie
Zitat
Nach der Studie von Huppertz et al, 1999 wurde eine Inzidenz von 111 / 100.000 Einwohner ermittelt. Dabei wurden folgende Häufigkeiten von Manifestationen festgestellt:
Erythema migrans | 89% |
Akute Neuroborreliose | 3% |
Karditis | < 1% |
Lyme-Arthritis | 5% |
Acrodermatitis | 1% |
Chronische Neuroborreliose | 0% |
Stellungnahme
Die Studie von Huppertz et al, 1999 bezieht sich auf ein stark präselektiertes Krankengut. Einbezogen wurden Fälle, die von Ärzten und Kliniken in der Region Würzburg der Gesundheitsbehörde
gemeldet wurden. Bereits die angegebene Häufigkeit, insbesondere das extreme Überwiegen eines Erythema migrans und die Seltenheit einer Lyme-Arthritis stehen im krassen Widerspruch zu der
sonstigen Literatur (vgl. Tab. S. 2) und machen die Auswirkungen der Präselektion deutlich.
Verständlicherweise wurde ein Erythema migrans als relativ leicht zu diagnostizierende Krankheitsmanifestation einer Lyme-Borreliose sehr viel häufiger festgestellt, als die Lyme-Borreliose im
Spätstadium, die bekanntermaßen häufig durch eine Arthritis gekennzeichnet ist. In der Arbeit von Huppertz wird die Häufigkeit der Lyme-Arthritis mit 5% angegeben, in der übrigen Literatur mit
30%-40%. Auch die übrigen in diesem Zusammenhang genannten Publikationen ähneln in der Anlage der Arbeit von Huppertz et al, 1999 und unterliegen daher der gleichen Einschränkung bei der
Aussagekraft.
Zitat
Sekundärdatenanalysen von Krankenkassen kommen zum Teil zu höheren Fallzahlen (Müller et al, 2012).
Stellungnahme
Den Daten von Huppertz et al, 1999 und den sonstigen angeführten ähnlichen Publikationen stehen andere Studien entgegen, die eine über zehnfach höhere Inzidenz benennen.
Häufigkeit von Neuerkrankungen (Lyme-Borreliose) in Relation zur Gesamtbevölkerung
Endemiegebiet | Zeitraum | Inzidenz | Autor |
Massachusetts / USA | 1979-83 | 1,5 – 3% | Steere et al (2) |
Würzburg / BRD | 1996-97 | 0,1% | Huppertz et al (4) |
Kraichtal / BRD | 1987-84 | 0,5% | Hassler (1) |
TKK | 2009 | 1% | (3) |
TKK Baden-Württemberg | 2009 | 1,5% | (3) |
Zitat
Die Seropositivität steigt mit zunehmendem Alter an. Bei 14-17-jährigen beträgt sie 7%, bei 70-79-jährigen 24,5% (Männer) bzw. 16,4% (Frauen) (Wilking et al 2014b).
Mit einer Erkrankung ist jedoch nur in 1% der seropositiven Fälle zu rechnen (Cetin et al, 2006, Dehnert et al, 2012, Wilking et al, 2014).
Stellungnahme
Die Publikation von Cetin et al, 2006 betrifft die Seroprävalenz bei Jägern. Bei Jägern unter 29 Jahren betrug die Prävalenz von IgG AK 33%, bei über 70 Jahren 83%. Die mittlere Seroprävalenz von
IgG AK betrug 54% und zeigte einen linearen Anstieg mit dem Alter. Die Publikation enthält keine Angaben über die Häufigkeit von Symptomen der LB.
Die Arbeit von Dehnert et al, 2012 untersuchte die Seroprävalenz bei Kindern und Jugendlichen. Die Seroprävalenz betrug 4%. Bei Katzenhaltung lag das Infektionsrisiko etwas höher. Auch diese Arbeit enthält keine Angaben zur Häufigkeit von Symptomen der LB.
Die Studie von Wilking et al, 2014 betrifft nahezu 19.000 Fälle einer LB, die auf der Basis der Meldepflicht den Behörden mitgeteilt wurden. Es ergab sich eine Inzidenz, also Neuerkrankungen pro
Jahr von 20-35/100.000. Die Differenzen zwischen den Werten der verschiedenen Jahre waren nach Meinung der Autoren methodisch bedingt. – Es wurden folgende Manifestationen angegeben: Erythema
migrans 95%, akute Neuroborreliose 3%, Lyme-Arthritis 2%. – Die Werte zeigen also, dass vorwiegend das relativ leicht erkennbare Erythema migrans erkannt und gemeldet wurde, dass offensichtlich
jedoch eine erhebliche Unterschätzung der Lyme-
Borreliose im Stadium III vorlag, da die Lyme-Arthritis nur mit 2% angegeben wurde, während sie nach anderen Literaturquellen etwa 40% beträgt (vgl. Tab. Seite 2).
Aus den drei genannten Publikationen ergibt sich also nicht, dass 1% der seropositiven Fälle an einer LB erkranken.
Im Übrigen wäre bei einer Konstellation, wie sie im obigen Zitat dargestellt ist, der prädiktive Wert eines pathologischen serologischen Befundes im Hinblick auf die Erkrankung (Lyme-Borreliose)
so niedrig, dass eine Indikation für serologische
Untersuchungen grundsätzlich zu verneinen wäre.
2.2 Übertragungswege
Zitat
Durchseuchung der Zecken mit Borrelien in Deutschland 4%-21% (Fingerle et al, 1994). Speichelproteine der Zecken wirken immunsuppressiv (Cotte, 2013). Übertragung von Borrelien durch blutsaugende
Insekten nicht möglich. Übertragung
der Borrelien benötigt mehrere Stunden und ist daher bei der kurzen Saugzeit von Insekten nicht möglich (vgl. Gern, 2009).
Stellungnahme
Keine.
2.3 Pathogenese
Zitat
Pathogenese der Borrelieninfektion im Wesentlichen von folgenden Faktoren bestimmt:
Stellungnahme
Keine.
Zitat
Das angeborene Immunsystem erkennt Borrelien hauptsächlich über Osp-Lipoproteine. In der Folge kommt es zur Aktivierung des Komplementsystems, von Zielzellen, Makrophagen, denditrischen Zellen
und Induktion inflammatorischer Zytokine. Nachfolgend Aktivierung von T-Helfer- und B-Lymphozyten und zur Produktion von Borrelien-spezifischen Antikörpern. In Reservoirwirten (z.B.
Wildmäuse) verhindern die gebildeten Antikörper die Krankheit, können die Erreger jedoch nicht eliminieren. Dagegen können beim Menschen die Antikörper die Krankheit in vielen Fällen nicht
verhindern.
Stellungnahme
Keine.
Zitat
Tabelle 1:
Hautmanifestationen 80%-90%
Andere Manifestationen 10%-20%
Stellungnahme
Die Angaben werden durch Literatur nicht belegt. Sie stehen im Widerspruch zu den oben angegebenen Häufigkeiten verschiedener Krankheitsmanifestationen (vgl. Tab. S. 2).
3.1 Lokalisierte kutane Frühinfektion
3.1.1 Erythema migrans
Zitat
Das Erythema migrans kann in verschiedenen Formen auftreten:
Ohne antibiotische Therapie können Borrelien über Monate bis Jahre in der Haut persistieren und nach längerer Latenzzeit zu weiteren Organmanifestationen führen.
Stellungnahme
Nach Steere et al, 1983 entwickelte sich nach Erythema migrans bei antibiotisch unbehandelten Patienten in 67% der Fälle eine Arthritis; bei Unterlassung der antibiotischen Behandlung des EM muss
also mit einer Chronifizierung (Entwicklung Stadium III, Spätstadium) von nahezu 70% ausgegangen werden. Die rechtzeitige Erkennung und eine frühzeitige antibiotische Behandlung des EM sind die
entscheidende Voraussetzung zur Verhinderung der Chronifizierung.
Zitat
Atypisches Erythema migrans:
Stellungnahme
Der Hinweis auf die verschiedenen Formen des Erythema migrans, insbesondere der „atypischen“ Formen ist von herausragender Bedeutung, da die frühzeitige Erkennung des EM auch in seiner atypischen
Form Voraussetzung für die Verhinderung der Chronifizierung ist.
Zitat
Differentialdiagnose Erysipel.
Stellungnahme
Die charakteristischen Manifestationen eines Erysipels (plötzlicher Beginn, Schwellung, Überwärmung, plötzlicher Beginn starker Allgemeinreaktionen, hohes Fieber) werden im Text nicht
dargestellt. Generell ist das Erysipel durch eine heftigere lokale und allgemeine Symptomatik gekennzeichnet als das Erythema migrans.
3.1.2 Borrelien-Lymphozytom
Zitat
Pseudolymphome im Bereich der Stichstelle oder des sich ausbreitenden EM.
Histologisch gemischte B- und T-lymphozytäre Infiltrate, mitunter auch reine B-Zell-Infiltrate, schwierige Abgrenzung gegenüber niedrig malignen B-Zell-Lymphomen.
Lymphozytom auch im Spätstadium in Verbindung mit Acrodermatitis chronica atrophicans.
Zitat
Borrelien-Lymphozytom immer mit erhöhten IgG-AK im Serum verbunden.
Stellungnahme
Keine Literaturangaben.
3.2 Disseminierte kutane Frühinfektion
Zitat
Grippeartige Krankheitssymptome mit leichtem Fieber, Arthralgien, Myalgien, Kopfschmerzen, Lymphadenopathie, multiple Erythemata migrantia. Wenn keine Erytheme sichtbar sind oder Erytheme eine
atypische Morphologie aufweisen, ist die
Diagnose schwierig.
Zitat
Multiple Erythemata migrantia
Stellungnahme
Das Bild der Ringelröteln, also des Erythema infectiosum acutum müsste differentialdiagnostisch dargestellt werden unter Beachtung der krankheitstypischen Hautmanifestationen, des
Krankheitsverlaufes, der Allgemeinsymptomatik, sonstiger
Krankheitsmanifestationen, des Wangenerythems und der Serologie bezüglich Parvovirus B19.
Zitat
Bei hämatogener Disseminierung multiple Erythemata migrantia. Bei Kindern mitunter symmetrische Erytheme im Gesicht, ähnlich Ringelröteln. Typische perivaskuläre plasmazelluläre Infiltrate erst
im fortgeschrittenen Stadium.
Stellungnahme
Keine.
Zitat
Wichtige Merkmale von multiplen Erythemata migrantia:
Stellungnahme
Keine
Zitat
Algorithmus zur Diagnose und Therapie des Erythema migrans.
Stellungnahme
Keine.
3.3 Kutane Spätmanifestationen Acrodermatitis chronica atrophicans (ACA).
Zitat
Auftreten meistens im höheren Lebensalter, selten bei Kindern. Zunächst mit hellroten, danach lividen, ödematös infiltrierten Erythemen, meist an den Extremitäten, betroffene Hautareale
überwärmt.
In ca. 50% ist ACA assoziiert mit peripherer Neuropathie.
Stellungnahme
Eine Polyneuropathie bei LB ist also nicht meist (!) mit einer ACA verbunden, wie dies in der Leitlinie „Neuroborreliose“ der Deutschen Gesellschaft für Neurologie geäußert wird.
Zitat
Ödematös-infiltratives Stadium der kutanen Spätborreliose: einseitig oder symmetrisch, chronische plasmazelluläre Dermatitis in Form livider Erytheme und polsterartiger Infiltrate. Lokalisation
auch im Gesicht möglich. DD SLE, maligne Lymphome (Hofmann, 2012). Im weiteren Verlauf Atrophie der befallenen Haut mit Verlust der Körperbehaarung, des Bindegewebes und Fettgewebes. Oft
schwierige Unterscheidung gegenüber Altersatrophie, Akrozyanose oder venöse Insuffizienz.
Stellungnahme
Keine.
Zitat
Histologischer Befund:
Stellungnahme
Keine
Zitat
Juxtaartikuläre fibroide Knoten, bandförmige Fibrosierungen, Pseudosklerodermie, Arthritiden, Arthralgien, Myalgien (in den betroffenen Extremitäten). Ohne antibiotische Behandlung Borrelien noch
nach Jahren in der Haut und in den fibroiden Knoten nachweisbar (Asbrink und Hovmark, 1985).
Stellungnahme
Keine
Zitat
Die Diagnostik der Acrodermatitis chronica atrophicans basiert auf dem klinischen Bild, der Histologie und den in der Regel hoch positiven IgG-AK im Serum. In unklaren Fällen Sicherung der
Diagnose durch PCR oder Kultur.
Stellungnahme
Keine
Zitat
Abbildung 6: Kutane Spätmanifestationen.
Die Abbildung zeigt das ödematös infiltrative Stadium, fibroide Knoten. Histologie:
Typisches perivaskuläres plasmazelluläres Infiltrat.
Stellungnahme
Keine Abbildung über das atrophische Stadium.
Zitat
Wichtige Merkmale der Acrodermatitis chronica atrophicans:
Stellungnahme
Keine Literaturangabe zur angeblichen Häufigkeit der Polyneuropathie von 50% bei ACA. Keine Literaturangabe zur besonderen Häufigkeit der ACA bei älteren Frauen.
3.4 Mit kutaner Borreliose assoziierte Manifestationen am Nervensystem und den Gelenken
Zitat
Im Frühstadium mit Erythema migrans (in einem Teil der Fälle) zeitgleich akute Neuroborreliose: Pleozytose, Meningitis, Radikuloneuritis, Parese der Hirnnerven (Arnez et al, 2002b).
Zitat
Bei Acrodermatitis chronica atrophicans in 50% der Fälle periphere Neuropathie in der betroffenen Extremität (Kristoferitsch et al, 1988).
Stellungnahme
Wie oben bereits erwähnt, tritt die Polyneuropathie bei etwa der Hälfte der Fälle ohne gleichzeitiges Vorliegen einer Acrodermatitis chronica atrophicans auf.
Zitat
Bei EM innerhalb weniger Wochen Auftreten von passageren Arthralgien und Myalgien.
Stellungnahme
Die Behauptung, dass die Arthralgien und Myalgien nur passager bestehen entspricht nicht den Tatsachen und wird durch Literatur nicht belegt. Arthralgien und Myalgien sind eine typische
Symptomatik der Lyme-Borreliose im Spätstadium.
Daher ist ihre Nichtberücksichtigung in der Tabelle 1 „Klinisches Spektrum der Lyme-Borreliose“ im Abschnitt „Spätstadium“ unkorrekt. Arthralgien und Myalgien sind typische Symptome des Früh- und
Spätstadiums der LB.
Zitat
Die Lyme-Arthritis wird bei ca. 5% der Borrelioseerkrankungen beobachtet, (sinngemäß) meistens in der Spätphase. In 85% der Fälle sind die Kniegelenke betroffen.
Stellungnahme
Keine Literaturangabe. Die Lyme-Arthritis kommt nicht nur in etwa 5% der Fälle vor, sondern vielmehr in etwa 40% (vgl. Tab. S. 2).
Zitat
Erosive Veränderungen der Gelenke (sinngemäß) bei Lyme-Arthritis wurden nicht beobachtet.
Stellungnahme
Die chronische Lyme-Arthritis kann zu arthrotischen Veränderungen führen, sowohl im Bereich kleiner Gelenke (Finger-, Zehengelenke) (1, 2, 3) als auch großer Gelenke (4). Besonders häufig treten
Arthrosen im Zusammenhang mit einer
Acrodermatitis chronica atrophicans (ACA) auf (6-8). Dokumentiert ist insbesondere auch der Übergang einer Gonarthritis (Lyme-Arthritis) in eine Gonarthrose (9).
3.5 Differentialdiagnosen zur kutanen Lyme-Borreliose
Zitat
Nachfolgend sind die häufigsten Differentialdiagnosen für die kutane Lyme-Borreliose dargestellt.
Differentialdiagnose bei Erythema migrans:
Differentialdiagnose bei multiplen Erythemata migrantia:
Differentialdiagnose Borrelien-Lymphozytom:
Differentialdiagnose Acrodermatitis chronica atrophicans:
(ödematös-infiltratives Stadium):
Differentialdiagnose Acrodermatitis chronica atrophicans:
(atrophes Stadium):
Stellungnahme
Die meisten aufgeführten Differentialdiagnosen unterscheiden sich insbesondere bei Beachtung der Gesamt-Datenlage so eindeutig von den Hautmanifestationen der LB, dass ihre Auflistung zum größten
Teil überflüssig ist. Einige als Differentialdiagnose
benannte Hauterkrankungen sind in der Literatur im kausalen Zusammenhang mit der Lyme-Borreliose beschrieben worden. Auf die nachfolgende Tabelle und die anschließende Literaturübersicht sei
verwiesen.
Hautmanifestationen der LB im Früh- und Spätstadium
Erythema migrans (EM)
(lokalisiertes Frühstadium)
Mini-EM
Rezidivierendes EM
Multiples EM
Lymphozytom
Rezidivierendes Lymphozytom
EM-Lymphozytom-Mischform
Knotiges Erythem
(Dermatitis, Panniculitis)
Chronische Panniculitis
(Polytope Infiltrate)
Polytope Lymphozytome
Chronifiziertes polytopes Lymphozytom
Rezidivierendes miliares Lymphozytom
Morphaea
(Syn. lokalisierte Skleroderma)
(Lichen sclerosus et atrophicus-ähnliche Hautläsionen)
Anetoderma
Acrodermatitis chronica atrophicans
Sonstige seltene Hautläsionen:
Roseolare Läsionen
Granuloma anulare
Fibrome
Vesiculäres EM
Sarkoidose-ähnliche Hautveränderungen
Necrobiosis lipoidica
Necrobiotische Xanthogranuloma
Erythema anulare centrifugum
Lymphozytäre Infiltrationen
Erythema nodosum
Papuläre Urtikaria
Henoch-Schönlein-ähnliche Purpura
Noduläre Pannikulitis
(Pfeifer-Weber-Christian)
Alopecie
Literaturübersicht - Kutane Manifestationen der Lyme-Borreliose
The expanding spectrum of cutaneous borreliosis.
Eisendle K, Zelger B. Gital Dermatol Venereol 2009;144:157-71.
LB kann zu folgenden Hautmanifestationen führen: Morphaea, Lichen sclerosus, BL, Granuloma anulare, interstitielle granulomatöse Dermatitis, Sarcoidosis-ähnliche Hautveränderungen, Nekrobiose
lipoidica, nekrobiotische Xanthogranulome, Erythema anulare centrifugum, Lymphocytäre Infiltration (Jessner Kanof).
Cutaneous manifestations of Lyme borreliosis.
Aberer E, Klade H. Infection 1991; 19(4):284-6.
Hautmanifestationen bei LB: EM, BL, ACA, Morphaea, Lichen sclerosus et atrophicus.
Why is chronic Lyme borreliosis chronic?
Aberer E, Koszik F, Silberer M. Clin Infect Dis 1997; Suppl 1:S64-70.
LB kann über Jahrzehnte persistieren, führt zu ACA, es kommt zur Down-Regulierung von Maior histocompatibility complex class II, ein Mechanismus der die Immunabwehr beeinträchtigt.
Success and failure in the treatment of acrodermatitis chronica atrophicans.
Aberer E, Breier F, Stanek G, Schmidt B. Infection 1996; 24(1):85-7.
Behandlung der ACA mit Ceftriaxon, Penicillin und oralen Antibiotika. Eine erhebliche Zahl der Patienten wurde nicht geheilt.
„Borrelia-associated early-onset morphea“: A prticular type of scleroderma in childhood and adolescence with high titer antinuclear antibodies? Results of a cohort analysis and
presentation of three cases.
Prinz JC, Kutasi Z, Weisenseel P, Pótó Ll, Battyáni Z, Ruzicka T. J Am Acad Dermatol 2008; [Epub ahead of print].
Bb assoziierte frühbeginnende Morphaea, charakterisiert durch die Kombination von niedrigem Lebensalter. Infektion mit Bb und hohe Werte für ANA.
Dermatologic Manifestations of Lyme disease.
Berger BW. Rev Infect Dis 1989; Vol 11 Suppl 6
Hautmanifestationen der LB: EM, multiples EM, BL, Granuloma annulare, Erythema nodosum, papuläre Urticaria, Henoch-Schönlein-ähnliche Purpura, Morphaea. Kausalzusammenhang ist noch nicht
gesichert.
Chronic Borreliosis Presenting with Morphea- and Lichen sclerosus et atrophicus-Like Cutaneous Lesions.
Kaya G, Berset M, Prins C, Chavaz P, Saurat JH. Dermatology 2001; 202:373-375.
Einzelfall: Morphaea, Lichen sclerosus et atrophicus.
Dermatologic Manifestations of Arthropod-Borne Diseases.
Myers SA, MD, Sexton JD, MD. Infect Dis Clin NA 1994; Vol 8 Nr. 3:689-712.
ACA kann an Stellen eines vorausgehenden EM auftreten, meistens an den unteren Extremitäten.
Allmählicher Beginn, zunächst erythematöser Plaque oder Knoten, die allmählich größer werden.
Livid-Verfärbungen. Über Zeiträume von Monaten bis Jahren Größenzunahme möglich, im Zentrum hautatrophisch dünn, haarlos, hypopigmenitiert, poikilodermieartige Veränderungen oder Veränderungen
wie bei Sklerodermie, juxtra-articuläre subcutane Knoten. Periostitis und Entzündung der benachbarten Knochenstrukturen.
Roseolar Lesions in Lyme disease: Isolation of the causative Agent.
Trevisan G, Cinco M, Agolzer A. Int J Dermatology 1992; Vol 31 Nr 7.
Einzelfall: Nach EM 7 Monate später roseoläre Läsionen.
Dermatological Manifestations of Lyme Borreliosis.
Trevisan G, Cattonar P, Nobile C, Perkan V, Stinco G. Acta Dermatovenerologica A.P.A. Vol 5 No 3-4:101-7.
Dermatologische Manifestationen der LB: EM, BL, ACA, Lichen sclerosus et atrophicus, Morphaea, Sclerodermie, Sclerödem Buschke, Atrophoderma (Pasini und Pierini), facielle Hemiatrophie
(Parry-Romberg-Syndrom). Shulmans Fasciitis, Granuloma anulare, Pityriasis rosea, Pityriasis lichenoides, Urticaria, Erythema nodosum und papuläre Acrodermatitis (Giannotti-Crosti-Syndrom),
noduläre Panniculitis (Weber-Christian), kutanes B-cell-Syndrome, juvenile chronische myeloische Leukämie.
Interstitial granulomatous dermatitis with histiocytic pseudorosettes: a new histopathologic pattern in cutaneous borreliosis. Detection of Borrelia burgdorferi DNA sequences by a higly
sensitive PCR-ELISA.
Moreno C, Kutzner H, Palmedo G, Goerttler E, Carrasco L, Requena L. J Am Acad Dermatol 2003; 48(3):376-84.
11 Patienten mit LB. Morphaea und in einigen Fällen Erythema migrans im Spätstadium.
Hautveränderungen wie bei Morphaea und histologischer Befund ähnlich wie bei Granuloma anulare.
Chronic borreliosis presenting with morphea- and lichen sclerosus et atrophicus-like cutaneous lesions.
Kaya G, Berset M , Prins C, Chavaz P, Saurat JH. Dermatology 2001; 202(4):375-5.
Einzelfall: Morphaea und Lichen sclerosus et atrophicus-ähnliche Läsionen bei LB.
Dermatologic manifestations of Lyme disease.
Berger BW. Rev Infect Dis 1989; 11Suppl 6:S1475-81.
Granuloma anulare, Erythema nodosum, papuläre Urticaria, Henoch-Schönlein-ähliche Purpura, Morphaea bei LB. Solche Manifestationen sind jedoch hinsichtlich des Zusammenganges mit LB fraglich.
Nodular panniculitis: a manifestation of Lyme borreliosis?
Hassler D, Zorn J, Zölller L, Neuss M, Weyand C, Goronzy J, Born IA, Preac-Mursic V.
2 Patienten mit nodulärer Panniculitis (Pfeifer-Weber-Christian), in einem Fall Bb wiederholt mittels PCR nachgewiesen, trotz Behandlung mit Ceftriaxon, Doxycyclin und Cefotaxim.
Clinical pathologic correlations of Lyme disease by stage.
Duray PH, Steere AC. Ann N Y Acad Sci 1988; 539:65-79.
Bei LB folgende Hautveränderungen: Sklerodermie-ähnliche Veränderungen, Veränderungen wie bei Lupus profundus. Myositis: identisches Bild wie bei Polymyositis oder Dermatomyositis.
4. Diagnostik
4.1 Erregernachweis
Zitat
Erregernachweis mittels Kultur oder PCR bei klinisch dringendem Verdacht auf eine Hautmanifestation bei negativem serologischem Befund. Sensivität bei EM und ACA über 70%.
Zitat
PCR aus Urinproben nicht empfohlen wegen widersprüchlicher Daten.
Stellungnahme
In der Publikation von Brettschneider et al, 1998 wurde bei Verwendung von PCR I der Erreger im Urin in 27% der Fälle nachgewiesen. In der Publikation von Rauter et al, 2005 gelang der
Erregernachweis im Urin bei Patienten mit Erythema migrans bei etwa 8%, während in der Publikation von Aberer et al, 2007 bei 79% der Fälle mit EM der Erregernachweis im Urin gelang, bei ACA in
63%.
Zitat
Immunhistologischer Nachweis von Borrelia burgdorferi im Gewebe.
Der Nachweis von Bb in der Haut gelang in verschiedenen Studien. Bei den klassischen Hautmanifestationen der LB, aber auch bei anderen Hauterkrankungen, wie Morphaea, Lichen sclerosus, Granuloma
anulare, Necrobiosis lipoidica, necrobiotic Xanthogranuloma, lymphocytic infiltration, Sarkoidose. Technik sehr aufwendig. Durch andere Arbeitsgruppen nicht bestätigt.
Immunhistologischer Nachweis von Borrelien in der Haut für die Routinediagnostik nicht empfohlen.
Stellungnahme
Keine.
4.2 Antikörpernachweis
Zitat
IgM- und IgG-Antikörper mittels quantitativem ELISA getrennt bestimmen. Nur bei positivem oder grenzwertigem Ergebnis Immunoblot als Bestätigungstest.
Stellungnahme
Keine Literaturangabe zu Sensivität und Spezifität.
Zitat
Je länger die Infektion besteht umso breiter ist das IgG-Bandenspektrum im Immunoblot.
Stellungnahme
Keine Literaturangabe.
Zitat
Ergebnisse unterschiedlicher Testverfahren sind insbesondere quantitativ nicht vergleichbar.
Zitat
Tabelle 4 „Serologische Stufendiagnostik nach MiQ12 und DIN 58969-44 2005-07“.
Erste Stufe: ELISA nach der 2. oder 3. Generation (IgM und IgG getrennt bestimmen)
Immunoblot oder Lymeblot (bei positivem oder grenzwertigem ELISA)
Bei Verwendung von PKo (B. afzelii) im Ganzzelllysat-Immunoblot: IgG positiv, wenn mindestens 2 der folgenden Banden vorhanden sind: 83/100, 58, VlsE, 43, 39, 30, OspC, 21, DbpA (Osp17), 14
IgM positiv, wenn mindestens 1 der nachfolgenden Banden positiv: 41 (stark ausgeprägt), 39, OspC, DbpA (Osp17).
Bei Verwendung rekombinanter Antigene: IgG positiv, wenn mindestens 2 der nachfolgenden Banden vorliegen: 83/100, 58, 39, OspC, 41 int., DbpA (Osp17), VlsE
IgM positiv: mindestens 2 der folgenden Banden: 39, OspC, 41 int., DbpA (Osp17), VlsE
Oder:
OspC allein in starker Ausprägung.
Zitat
Der Antikörpernachweis beweist keine Lyme-Borreliose, ist aber für die Diagnostik später Erkrankungsformen notwendige Voraussetzung.
Stellungnahme
Die Aussage wird nicht erläutert und durch Literatur nicht belegt.
Zitat
Eine serologische Untersuchung sollte nur bei klinisch begründetem Verdacht auf eine Borreliose erfolgen.
Stellungnahme
Keine
Zitat
Der isolierte Nachweis von IgM-Antikörpern mit Symptomen einer Spätmanifestation schließt eine Lyme-Borreliose aus. Da in diesem Stadium (gemeint ist das Spätstadium) der Erkrankung obligat
spezifische IgG-Antikörper zu erwarten sind.
Stellungnahme
In verschiedenen Meinungspublikationen wird behauptet, dass bei der Lyme-Borreliose im Stadium III (Spätstadium) grundsätzlich Antikörper nachweisbar seien, d.h. bei einer Lyme-Borreliose III
bestünde stets Seropositivität.
Andererseits belegen zahlreiche Publikationen und Fallstudien, dass bei der Lyme-Borreliose im Stadium III bis zu 50% der Patienten keine Antikörper aufweisen, es besteht also bei der Hälfte der
Patienten Seronegativität (1-18).
IgM-Antikörper kommen sowohl in der Frühphase als auch in der Spätphase höchstens in 50% der Fälle vor. Die Angaben in der Literatur sind etwas widersprüchlich. Entscheidend ist jedoch, dass IgM
AK bei pathologischem Befund lediglich die stattgehabte Infektion beweisen; das Fehlen von IgM AK schließt die Infektion also nicht aus. In der Spätphase spricht das Vorliegen von IgM-Antikörpern
keinesfalls für eine „aktive Lyme-Borreliose“. Das Auftreten von IgM AK im Spätstadium (Stadium III) beweist auch nicht eine so genannte Reinfektion, da IgMAntikörper über Jahrzehnte persistieren
können.
Repräsentativ für die Behauptung, dass bei der Lyme-Borreliose im Spätstadium stets Seropositivität vorläge, ist die Arbeit von Wilske et al aus 2007 (19). In dieser Publikation heißt es: „In der
Spätphase der Lyme-Borreliose (Acrodermatitis, Arthritis)
sind AK bei allen Patienten nachweisbar (Hansen und Asbrink, 1989, Wilske et al, 1993).
Diese beiden zugrunde gelegten Publikationen werden epikritisch dargestellt und kommentiert.
Serodiagnosis of erythema migrans and acrodermatitis chronica atrophicans by the Borrelia burgdorferi flagellum enzyme-linked immunosorbent assay.
Hansen K, Asbrink E. J Clin Microbiol 1989; 27(3):545-41.
Die Publikation aus 1989 vergleicht die Sensivität von zwei ELISA-Tests bei Einsatz von 2 verschiedenen Antigenen:
Der flagellum ELISA ist sensitiver als der sonic extract ELISA.
Bei Erythema migrans (EM) liegt die Sensivität des flagellum ELISA IgM bei 36%, für IgG bei 45%. Bei Dauer des EM von einem Monat oder länger beträgt die IgG Sensivität 50%.
Bei Patienten mit ACA waren in allen Fällen IgG AK nachweisbar.
IgM AK stellt einen unspezifischen Befund bei Patienten mit ACA dar.
Flagellum ELISA ist von Bedeutung bei der wachsenden Routineserologie bei LB.
Kommentierung
Im Hinblick auf den Aspekt Serologie bei Lyme-Borreliose Stadium III ist also zu beachten, dass eine positive Serologie nur bei Patienten mit ACA regelmäßig nachweisbar war, während ohne diese
Hautmanifestation Seronegativität häufig beschrieben wird. Es kann also nicht ausgeschlossen werden, dass Patienten mit ACA immunologisch anders reagieren, als Patienten mit Lyme-Borreliose
Stadium III ohne ACA. In den unten genannten Publikationen (1-18) über Seronegativität bei Lyme-Borreliose Stadium III wurde häufig der Krankheitserreger nachgewiesen. Da sowohl ACA als auch
Erregernachweis als Beweis für die Lyme-Borreliose im Stadium III gelten, können folglich nur zwei Schlussfolgerungen resultieren:
Die Gleichsetzung von ACA und Lyme-Borreliose Stadium III ohne ACA lässt sich literarisch nicht belegen.
In diesem Zusammenhang ist auch das Verhältnis eines länger dauernden Erythema migrans / Serologie von Bedeutung. Auch das Erythema migrans gilt als krankheitsbeweisend. In der Arbeit von Hansen
und Asbrink (1989) war das EM von einem Monat oder länger jedoch nur in 50% der Fälle mit einem pathologischen Befund für IgG AK verbunden.
Recombinant immunoblot in the serodiagnosis of Lyme borreliosis. Comparison with indirect immunofluorescence and enzyme-linked immunosorbent assay.
Wilske B, Fingerle V, Herzer P, Hofmann A, Lehnert G, Peters H, Pfister HW, Preac-Mursic V, Soutschek E, Weber K. Med Microbiol Immun 1993; 182/5):255-70.
Die Publikation vergleicht Immunoblot / IFA bzw. ELISA.
Immunoblot: Antigene: p100, Flagellin, internes Flagellin, OspA, OspC.
Vergleich mit folgenden Suchtests:
IFA-ABS
Flagellin ELISA
ELISA (OGP-ELISA)
Die Publikation schließt 24 Patienten mit Lyme-Arthritis (Arthritis im Spätstadium) und 19 Patienten mit ACA ein. Bei all diesen Patienten waren IgG-ELISA und p100 (Immunoblot) positiv (vgl. Tab.
1).
Tab. 1
Serologie bei ACA bzw. Lyme-Arthritis
ACA:
IgG ELISA 100%
p100 100%
OspA 11%
OspC 21%
41/i 46%
Arthritis:
ELISA IgG 100%
p100 100%
p41 100%
OspA 4%
OspC 13%
P31/i 46%
Blutspender:
IgG ELISA 5%
p100 9%
Kommentierung
Neben der Arbeit von Hansen K, Asbrink E, (1989) (20) und Wilske et al (1993) (21) enthält die Literatur auch einige andere Publikationen, die eine Beurteilung der Serologie bei Lyme-Borreliose
im Stadium III erlauben.
In der Arbeit von Asch et al (22) waren die 4 Patienten mit intermittierender Arthritis alle seropositiv, dagegen bestand bei den übrigen 119 Patienten mit Lyme-Borreliose im Spätstadium
Seronegativität in 69% der Fälle. In der Arbeit von Tylewska-Wierzbanowska und Chmielewski (4) wurden bei 11 Patienten mit Lyme-Arthritis nur in etwa 30% der Fälle spezifische Banden im
Immunoblot IgG
nachgewiesen. Hassler (23) fand bei der Lyme-Arthritis Seronegativität, allerdings war die Seropositivität bei Vorliegen einer Lyme-Arthritis achtmal größer (23). – Andererseits berichtet Hassler
über 166 Patienten, die im Laufe von drei Jahren mindestens einmal eine Episode einer Lyme-Arthritis aufwiesen. Von diesen Patienten waren 95 seronegativ und 71 seropositiv, entsprechend
55%
seronegativ und 45% seropositiv (vgl. 23). – Klemann und Huismans untersuchten 105 Patienten, bei denen die Diagnose Lyme-Borreliose Stadium III durch Erregernachweis gesichert wurde; dabei
ergaben sich positive Befunde für IgG ELISA in 47% und IgG Westernblot in 58%. Für IgM betrugen die Werte 12% bzw. 15%; in über 40% der Fälle lag also Seronegativität vor (24).
Fazit:
Die Behauptung von Wilske et al (19), dass bei einer Lyme-Borreliose im Stadium III stets Seropositivität vorläge, stützt sich ausschließlich auf die Arbeit von Hansen und Asbrink (20) und Wilske
et al (21). Die Literatur enthält jedoch zahlreiche andere Publikationen, die der Ansicht von Wilske entgegenstehen und belegen, dass bei der Lyme-Borreliose Stadium III Seronegativität häufig
vorkommt.
In einigen Publikationen wurde beim Westernblot eine höhere Sensivität festgestellt als im Suchtest.
Es liegen drei Studien vor (25-27) die belegen, dass die Sensivität des Westernblots höher ist als die der Suchtests (EIA, ELISA). Die Differenz beträgt etwa 10%-15% sowohl für IgM als auch für
IgG.
Auf Empfehlung der Centers of Disease Control and Prevention (Atlanta, GA, USA) wird in den USA und in Europa der so genannte 2-Stufen-Test empfohlen. Zunächst soll der Suchtest durchgeführt
werden, bei positivem Ergebnis soll der Suchtest durch den Westernblot (Bestätigungstest) bestätigt werden.
Da die Sensivität des Suchtestes deutlich geringer ist als die des Westernblots wird bei diagnostischem Vorgehen entsprechend dem 2-Stufen-Test in etwa 10%-15% der Fälle ein falsch negatives
Ergebnis resultieren, d.h. dieser Anteil der Patienten wird als serologisch negativ verkannt.
In der Konsequenz ergibt sich daher die Notwendigkeit den Suchtest stets in Verbindung mit dem Westernblot durchzuführen. Aufgrund der wissenschaftlichen Daten ist der 2-Stufen-Test also nicht
haltbar.
Zitat
Der isolierte IgM-Befund erklärt sich zum Beispiel durch häufig vorkommende Kreuzreaktionen, vor allem bei Virusinfektionen der Herpesgruppe, bei rheumatischen und Autoimmunerkrankungen.
Stellungnahme
Auch diese Passage wird durch Literatur nicht belegt.
Zitat
IgG-AK können im Frühstadium gefunden werden, meist sind sie Ausdruck einer früher abgelaufenen Borrelieninfektion. Es handelt sich also um eine Seronarbe.
Stellungnahme
Keine Belegung durch Literatur. Tatsächlich ist das Auftreten von IgM AK im Frühstadium belegt.
Unter Seronarbe wird das Persistieren von Antikörpern (Seropositivität) nach Ausheilung einer Lyme-Borreliose verstanden. Der Begriff Seronarbe ist also nur vertretbar, wenn keinerlei Beschwerden
der Krankheit mehr vorliegen. Der Begriff impliziert also die Verneinung einer Lyme-Borreliose; nicht selten wird er jedoch insbesondere in Gutachten verwendet, obwohl weiterhin Beschwerden
bestehen, die in der Literatur im Zusammenhang mit der Lyme-Borreliose beschrieben sind. Solche persistierenden Symptome werden jedoch nicht auf eine möglich persistierende LB bezogen, sondern
willkürlich als so genannte „unspezifische Beschwerden“
bezeichnet.
Studien über die Entwicklung von Borrelien-Antikörper in Abhängigkeit von der Infektionsdauer liegen nicht vor. Es wird davon ausgegangen, dass die Entwicklung der Antikörper etwa zwei bis sechs
Wochen nach erfolgter Infektion einsetzt (1).
Einer anderen Publikation lässt sich entnehmen, dass nach etwa zwei Wochen in 64% der Fälle IgM-AK und in 42% IgG-AK nachweisbar waren. In dieser Studie wurden Patienten mit Erythema migrans
antibiotisch behandelt. Dabei sanken die
Antikörper-Konzentrationen innerhalb von einem Monat auf Werte von ca. 10% (2).
Die Persistenz von IgM-Antikörper kann sich über Jahre erstrecken, der Nachweis von IgM-AK bei chronischen Krankheitsverläufen kann also nicht als Hinweis auf eine Reinfektion gewertet werden (3,
4).
Von grundsätzlicher Bedeutung ist auch die Tatsache, dass die Sensitivität des Westernblot höher liegt als die des Suchtests (ELISA, EIA) (2).
Zitat
Bei Jägern zeigt sich eine altersabhängige Häufigkeit der Seropositivität bis zu 70% bei 70-jährigen (Cetin, 2006). Die Koinzidenz von unspezifischen degenerativen Beschwerden mit solchen
Durchseuchungstitern ist entsprechend häufig und kann Verwirrung stiften.
Stellungnahme
In der Publikation von Cetin et al, 2006 werden Krankheitsmanifestationen der Lyme-Borreliose überhaupt nicht erwähnt.
Der Begriff „unspezifische degenerative Beschwerden“ wird im Text des LL-Entwurfs nicht erläutert und durch Literatur nicht belegt.
Zitat
Im Frühstadium steigen in den ersten Wochen die Antikörper nur langsam an; nur 50-80% der Patienten mit EM weisen Antikörper auf. Zunächst IgM- und danach IgGAntikörper nachweisbar.
Stellungnahme
In der Arbeit von Hofmann, 2006 wird die Häufigkeit von Bb AK mit 30-80% angegeben. In der Arbeit von Branda et al, 2013 wurden Patienten mit LB im Früh- und Spätstadium untersucht, die sich die
Infektion in Europa zugezogen hatten.
Verglichen wurde der in Europa übliche 2-Stufen-Test mit dem in den USA eingesetzten C6 ELISA. Es ergaben sich vergleichbare Ergebnisse bezüglich Sensivität und Spezifität. Über die Häufigkeit
von Antikörpern im Frühstadium macht die Publikation keine quantitative Aussage. Überdies ist beiden Publikationen nicht zu entnehmen, dass im Frühstadium zunächst IgM und danach IgG Antikörper
nachweisbar sind.
Zitat
Bei typischen EM ist serologische Untersuchung nicht erforderlich. Die antibiotische Therapie sollte sofort beginnen.
Stellungnahme
Keine
Zitat
Im Frühstadium war bei 72%-81% ELISA-positiver Patienten der Immunoblot negativ (Hofmann, 2006, Branda, 2013). In dieser Situation können die Kriterien der Zwei-Stufen-Diagnostik im
lokalisierten Frühstadium nicht immer erfüllt werden.
Stellungnahme
Ein positiver ELISA im Frühstadium gilt also auch ohne Bestätigung im Westernblot als Hinweis auf die eingetretene Infektion.
Zitat
Bei Reinfektion und bereits vorbestehender Seropositivität kommt es häufig zum Anstieg von IgM (insbesondere nachweisbar im Westernblot) und / oder zu einem Anstieg der IgG-AK.
Da im Spätstadium IgG-AK stets erhöht sind, spielt der Nachweis von IgM im Spätstadium keine Rolle.
Stellungnahme
Keine Belegung durch Literatur. Auf die fragwürdige Behauptung, dass IgG-AK in der Spätphase stets erhöht ist, wurde oben bereits eingegangen.
Zitat
Isoliert erhöhte IgM-AK bei Gelenk- und Muskelbeschwerden sprechen für unspezifische kreuzreaktive Antikörper und sind nicht krankheitsrelevant. Solche isolierten (unspezifischen) IgM-AK werden
insbesondere bei Autoimmunerkrankungen, rheumatologischen Erkrankungen oder Erkrankungen mit einer polyklonalen B-Zellstimulierung (z.B. EBV-Infektion) beobachtet.
Stellungnahme
Keine Belegung durch Literatur. Zur Sache wurde oben bereits Stellung genommen.
Zitat
Kommt es nach Therapie zu persistierenden oder neu auftretenden Symptomen ist erneute serologische Untersuchung zur Therapieentscheidung geeignet und zwar am besten auf der Basis des
quantitativen ELISA.
Stellungnahme
Keine Belegung durch Literatur. Es wird nicht dargelegt, ob eine fehlende Zunahme des serologischen Befundes, d.h. allein aufgrund der persistierenden oder neu aufgetretenen Beschwerdesymptomatik
eine erneute Therapie rechtfertigt und aus welchen Gründen eine Therapie nicht wirksam sein sollte.
Zitat
Lymphozytentransformationstests (LTT) können nicht nur Borrelien-spezifische TZellen sondern auch T-Zellen mit anderen Spezifitäten reagieren (Bauer et al, 2001).
Dadurch kommt es häufig zu falsch positiven Ergebnissen (Eckmüller, 2003).
Stellungnahme
In der Publikation von Bauer et al, 2001 wurden als Antigene lipidfreie spirochätale Oberflächenantigene (OspA, OspC und p39) sowie die selektiv im Säugetier-Wirtsorganismus exprimierten pG und
BapA zur Antigenstimulation genutzt. Autologe denditrische Zellen dienten als Antigen-präsentierende Zellen. Die Mehrheit der Patienten mit Lyme-Borreliose zeigten eine T-Zell-proliferative
Antwort auf ein oder mehrere Antigene, pG wurde von über 70% der Zellpopulation erkannt, hauptsächlich von T1-Zellen, nicht jedoch von Zellen der Kontrollprobanden.
In jüngeren Publikationen beträgt die Spezifität des LTT Borrelien 97% bzw. 94% (Valentine-Thon et al, 2007, von Baehr et al, 2007).
Zitat
CD57-NK-Zellen zur Diagnose der LB wissenschaftlich nicht bestätigt (Marques et al, 2009).
Stellungnahme
In der Publikation von Marques et al, 2009 wurden die CD57-NK-Zellen bei 9 Patienten mit Post-Lyme-Syndrom, 12 Patienten mit ausgeheilter LB und 9 gesunden Probanden untersucht. Dabei zeigte sich
kein signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen. Allerdings enthielt die Studie keine Patienten mit einer LB im Stadium III.
Zitat
Erniedrigte CD57-NK-Zellen tragen zur Diagnose der LB nicht bei (Marques, 2009).
Stellungnahme
Die Verminderung der CD57-NK-Zellen ist ein typisches Phänomen der Lyme-Borreliose im Spätstadium. Dies entspricht der Erfahrung zahlreicher Borrelioseerfahrener Ärzte; Evidenz-basierte Studien
zu dieser Problematik fehlen, wie dies
generell für die Diagnostik und Therapie der Lyme-Borreliose im Spätstadium gilt. In Anbetracht dieses Dilemmas ist es unverständlich und unbegründet, dass aktuell diese Untersuchungsmethode von
Fachgremien als ungeeignet abgelehnt wird.
Zitat
In der Studie von Csallner, 2013 wurden 125 Patienten mit vermeintlicher Lyme-Borreliose nachuntersucht, bei 30% der Patienten wurden die Beschwerden als „organisch unerklärt“ eingeschätzt.
Stellungnahme
Die Publikation von Csallner et al, 2013 betrifft 125 Patienten, bei denen zunächst fälschlicherweise eine Lyme-Borreliose diagnostiziert wurde. Es handelt sich also um eine Studie an Patienten,
die an Lyme-Krankheit zu keinem Zeitpunkt litten.
Allerdings werden bei 30% der Patienten die Symptome als „organisch ungeklärt“ aufgefasst. Es ist unklar, mit welchem Informationsziel diese Publikation Erwähnung findet.
Zitat
Tabelle 5 „Konstellationen, die Fehlinterpretationen nach sich ziehen können“:
Stellungnahme
Ein „Durchseuchungstiter“, also ein positiver serologischer Befund ohne jegliche Beschwerden einer Lyme-Borreliose beweist lediglich die (irgendwann) stattgehabte Infektion, macht jedoch über
Existenz und Ausmaß der Erkrankung (Lyme-Borreliose) keine Aussage. Der Begriff „Seronarbe“ ist nur zu verwenden, wenn nach aufgetretener und bewiesener Lyme-Borreliose (nach Therapie) die
Erkrankung abgeheilt ist, d.h. es sind zwar noch Antikörper im Serum nachweisbar, es bestehen jedoch keinerlei Symptome einer Lyme-Borreliose. Auf die Problematik isolierter IgMAK bei Muskel- und
Skelettbeschwerden wurden oben bereits detailliert eingegangen.
Auch zur LTT-Problematik wurde bereits Stellung genommen. Der LTT in moderner Ausführung (Valentine-Thon et al, 2007, von Baehr et al, 2012) hat eine Spezifität von etwa 97%, die der bei der
serologischen Untersuchung nicht nachsteht. Der LTT hat seit seiner erstmaligen Anwendung durch Sigal et al, 1984 und Dattwyler et al, 1986 eine stetige Weiterentwicklung durchlaufen. Der LTT
wird in der Literatur ganz überwiegend positiv beurteilt. Er hat seine besondere Bedeutung bei Patienten mit einer Beschwerdesymptomatik vereinbar mit Lyme-Borreliose Stadium III und
Seronegativität.
Zitat
Empfehlung zur serologischen Diagnostik.
(Sinngemäß): Im Frühstadium zeigen sich Antikörper erst nach vier bis sechs Wochen (serologische Lücke).
Stellungnahme
Zu den meisten Punkten wurde oben bereits Stellung genommen.
Es wird nicht erläutert, inwieweit serologische Kontrollen bei persistierenden Symptomen einen diagnostischen Wert haben. Auch wird die Passage durch Literatur nicht belegt.
5. Therapie der kutanen Borreliose
Zitat
Die (Therapieempfehlungen bei Lyme-Borreliose) in Tabelle 6 (fälschlich heißt es im Text Tabelle 3) sind die am besten evaluierten Antibiotika zusammengefasst. In der Frühphase sollte die
Behandlungsdauer zwei bis drei Wochen, in der Spätphase drei bis vier Wochen betragen. In der Frühphase sind Doxycyclin und Amoxicillin Antibiotika der ersten Wahl. Von den Makroliden ist nur
Azithromycin wirksam.
Allerdings war die Wirkung von Clarithromycin mit Amoxicillin vergleichbar. Das gleiche gilt für Cefuroximaxetil vs. Doxycyclin bzw. Amoxicillin. Die Heilungsraten in der Frühphase betragen
85%-100%.
Stellungnahme
Es muss also auch in der Frühphase mit einer Versagerrate von etwa 10% gerechnet werden.
Zitat
Im Spätstadium mit neurologischen Symptomen ist Therapie mit Penicillin (gemeint sind Penicillin G-Infusionen in hoher Dosierung) und Ceftriaxon indiziert. Bei Lyme-Borreliose Stadium III ohne
neurologische Beteiligung reicht Behandlung mit Doxycyclin für 30 Tage aus. Das gleiche gilt für die Behandlung der Acrodermatitis chronica atrophicans.
Beim disseminierten Frühstadium beträgt die Heilungsrate bei rechtzeitiger Therapie 95%-100% (Cerar, 2010).
Stellungnahme
Die Arbeit von Cerar et al befasst sich mit „subjektiven Symptomen nach Behandlung einer Lyme-Borreliose im Frühstadium“. Die Arbeit von Cerar et al hat folgenden Inhalt:
Epikrise
Hintergrund:
Es bestehen Kontroversen über Bedeutung und Existenz von Post-Lyme-Disease-Symptomen, da ähnliche Symptome häufig bei der allgemeinen Bevölkerung auftreten.
Methode:
Vergleichsstudie über Effizienz von Doxycyclin vs Cefuroxim bei Erythema migrans. Die EM-Patienten wurden zum Zeitpunkt 0, 2 Wochen, 2, 6 und 12 Monate, die Kontrollen zum Zeitpunkt 0, 6 und 12
Monaten überprüft. Untersucht wurde, ob seit Beginn des Erythema migrans oder nach Einbeziehung der Kontrollen in die Studie neue oder zunehmende Symptome auftraten.
Ergebnis:
12 Monate nach Studienbeginn zeigten von den 230 untersuchten Patienten mit EM nur 2,2% neue oder zunehmende Symptome. Es bestand kein Unterschied gegenüber der Kontrollgruppe.
Folgerung der Autoren:
Unspezifische Symptome nach Behandlung von Patienten mit Erythema migrans kommen nicht häufiger vor als in der Kontrollgruppe. Es wird daher dafür plädiert, dass in künftigen Studien
Kontrollgruppen einbezogen werden.
Sogenannte „unspezifische Symptome“ waren nach einem Jahr nur bei 2,2% der Patienten bzw. der Kontrollpersonen nachweisbar, also bei knapp 5 Patienten bzw. 5 Kontrollpersonen. Diese Zahlen sind
selbstverständlich zu klein, um eine Differenz bei der Häufigkeit zu prüfen. Daher dient diese orientierende Studie entsprechend den Aussagen der Autoren auch lediglich der Forderung, bei
künftigen Studien zu der Problematik „unspezifische Beschwerden“ bei sogenanntem Post-Lyme-Disease-Symptomen eine Kontrollgruppe mit einzubeziehen.
Die niedrige Quote der Patienten mit persistierenden Beschwerden nach EM spricht dafür, dass die durchgeführte antibiotische Behandlung im Frühstadium, also bei Auftreten des Erythema migrans,
rechtzeitig und adäquat durchgeführt wurde. Aus der Literatur ist bekannt, dass bei rechtzeitiger Behandlung des Frühstadiums die therapeutische Erfolgsquote mindestens 90% beträgt (11-14).
Die vorliegende Publikation belegt also keinesfalls die Ansicht, dass Beschwerden bei einer chronischen Lyme-Borreliose nicht häufiger vorkommen als bei gesunden Kontrollen. Vielmehr hat sie die
wesentliche Botschaft, dass eine rechtzeitige und adäquate antibiotische Behandlung des Erythema migrans das Auftreten nachfolgender Symptome verhindert.
Eine Aussage über Existenz und Häufigkeit von Symptomen bei einer chronischen Lyme-Borreliose und die Heilungsrate bei disseminiertem Frühstadium lässt sich der Publikation nicht entnehmen.
Zitat
Bei Spätinfektionen kommt es häufiger nach Antibiotika-Therapie zu Gelenk-, Muskel- und neurologischen Beschwerden. Mit der Dauer der unbehandelten Infektion steigt auch das Risiko für
persistierende Beschwerden, vor allem an Haut, Gelenken und Nervensystem.
Stellungnahme
Keine Belegung durch Literatur.
Zitat
Monatelange Antibiotika-Therapien und wiederholte antibiotische Kuren sind nicht erfolgversprechend (Klempner et al, 2001, Krupp, 2003, Fallon, 2008, Kaplan, 2003, Feder, 2007, Klempner, 2013).
Stellungnahme
Im Folgenden wird zu einigen der oben genannten Publikationen kurz Stellung genommen.
Klempner et al
78 IgG-AK positive und 51 seronegative Patienten. Alle Patienten waren zuvor an einer Lyme- Borreliose erkrankt und antibiotisch behandelt worden. Es persistierten jedoch Beschwerden:
Muskelskelettschmerzen, neurokognitive Symptome, Dysästhesien, Fatigue. Es erfolgte antibiotische Nachbehandlung (Ceftriaxon 2 g, 30 Tage, nachfolgend Doxycyclin 200 mg, 60 Tage). Vor der
Nachbehandlung lag eine hochgradige Beeinträchtigung durch die Beschwerdesymptomatik vor. Nach Behandlung persistierten die Beschwerden. Dabei zeigte sich kein Unterschied zwischen der Verum- und
Placebo-Gruppe.
Kritisch ist anzumerken, dass Patienten mit Erregernachweis (positiver PCR) aus der Studie ausgeschlossen wurden. Die Autoren weisen auf zwei Komplikationen der antibiotischen Behandlung hin
(Lungenembolie, gastrointestinale Blutung), obwohl eine derartige Zuordnung unrealistisch ist.
Patienten mit Arthritis wurden ausgeschlossen, obwohl insbesondere die Gonitis eine typische Manifestation der Lyme-Borreliose im Spätstadium darstellt. Die Autoren weisen auf einen literarischen
Einzelfallbericht hin, bei der eine antibiotische Langzeitbehandlung zu Sepsis und Tod führte. Dies beruhte jedoch nicht auf der antibiotischen Langzeitbehandlung als solche, sondern auf einem
hygienischen Fehler im Zusammenhang mit einem intravenösen Katheter. Die in der Literatur vielfach beschriebene Erregerresistenz gegenüber Antibiotika im Stadium III wird nicht beachtet. Das
gleiche gilt für die Tatsache, dass Ceftriaxon nur intrazellulär wirkt und Doxycyclin nicht liquorgängig ist. Auch Faktoren der Erregerresistenz bleiben unberücksichtigt. Die Autoren weisen bei
der Auswahl
der eingesetzten Antibiotika (Ceftriaxon, Doxycyclin) auf deren Wirkung bei der akuten Lyme-Neuroborreliose hin und gründen darauf ihre Ansicht, dass diese Antibiotika auch im Spätstadium der LB
wirksam sind. Unzutreffend wird darauf hingewiesen, dass eine (längere) antibiotische Behandlung der Tuberkulose (über drei Monate) keine Vorteile gegenüber einer kürzeren Behandlungsdauer bringt
und dass diese (unzutreffende) Erfahrung auch auf die Lyme-Borreliose anzuwenden sei.
Unkommentiert bleibt der Befund, dass bei den untersuchten Patienten mit Lyme-Borreliose über viele Jahre unter der Behandlung innerhalb weniger Monate eine Besserung in 36% der Verum-Gruppe und
eine Verschlechterung in 39% der Placebo-Gruppe auftrat. Die Autoren weisen darauf hin, dass nach antibiotischer Nachbehandlung Erreger mittels PCR und Kultur nicht nachweisbar waren.
Andererseits wurden zuvor Patienten mit positivem PCR aus der Studie ausgeschlossen. Überdies erfolgte der Erregernachweis im Blut und Liquor, d.h. unter diesen Umständen war mit einer sehr
geringen Sensivität zu rechnen. Die oben genannte Besserung in der Verum-Gruppe bei 36% und die Verschlechterung in der Placebo-Gruppe (39%) trat bereits zu Ende der 30-tägigen Behandlung
mit
Ceftriaxon auf. Den Daten der Studie ist nicht zu entnehmen, ob einzelne Patienten unter Behandlung eine deutliche und anhaltende Besserung erfuhren oder ob nach anfänglicher Besserung im
weiteren Verlauf eine starke Verschlechterung auftrat. Die Studie zeigt, dass es unter antibiotischer Nachbehandlung zu einer vorübergehenden Besserung kam, die jedoch nach drei Monaten nicht
mehr nachweisbar war. Die Studie erlaubt nicht die generelle Feststellung, dass eine antibiotische Langzeitbehandlung (Nachbehandlung einer Lyme-Borreliose im Spätstadium) ineffektiv ist, sie
belegt allenfalls, dass die in der Studie durchgeführte Antibiose (zunächst Ceftriaxon, nachfolgend Doxycyclin) zu keiner nachhaltigen Besserung führte, d.h. sie belegt tatsächlich, dass die
durchgeführte Behandlung (Ceftriaxon, nachfolgend Doxycyclin) bei der Lyme-Borreliose im Spätstadium nicht geeignet ist.
Kaplan et al
Die Publikation von Kaplan et al ist methodisch mit der Studie von Klempner identisch. Sie legt den Fokus jedoch auf die kognitive Funktion. Im Gegensatz zu Klempner et al gehen die Autoren von
einer post-treatment-chronic Lyme disease aus. Neben der Kognition bezieht sich die Studie auch auf Schmerz und Sozialfunktionen. Nach der antibiotischen Nachbehandlung zeigte sich eine
signifikante Besserung der Kognition, der Schmerzen und der Sozialfunktionen und zwar auf Basis von Selbsteinschätzung unter Verwendung entsprechender Testverfahren. Da die Patienten in
„objektiven“ neuropsychologischen Testverfahren keine Besserung der kognitiven Störungen zeigten, wurde die Effizienz der antibiotischen Nachbehandlung verneint. Die Autoren gehen von einem
Post-Lyme-Syndrom aus und somit von einem persistierenden Krankheitszustand nach (vermeintlich) kurativer antibiotischer Behandlung (Erstbehandlung) einer diagnostisch gesicherten
Lyme-Borreliose. Die Annahme eines PLS wird nicht begründet.
Nach antibiotischer Nachbehandlung zeigte sich eine geringe jedoch signifikante Besserung des Allgemeinzustandes. Dies traf auch drei Monate nach Ende der Nachbehandlung zu. Die
neuropsychologischen Tests zeigten vor und nach der antibiotischen Nachbehandlung meistens Normalwerte.
Krupp et al
Die Studie von Krupp et al betrifft 55 Patienten mit erheblichem Fatigue nach antibiotischer Therapie (Vorbehandlung) wegen gesicherter Lyme-Borreliose. Nach Mitteilung der Autoren überprüft die
Arbeit, ob sich ein Post-Lyme-Syndrom unter antibiotischer Behandlung bessert und zwar im Hinblick auf Fatigue, kognitiven Funktionen und Labordaten. Die Studie wurde an 55 Patienten
durchgeführt, die zuvor wegen gesicherter Lyme-Borreliose antibiotisch behandelt wurden (Vorbehandlung). In der Verum-Gruppe wurde mit Ceftriaxon 2 g / Tag, in der Kontrollgruppe mit Placebo für
28 Tage behandelt. Kontrolluntersuchung erfolgte sechs Monate nach antibiotischer Nachbehandlung. Das Fatigue war gebessert, die kognitiven Störungen waren unverändert vorhanden. Die
Liquorveränderungen wurden in der Studie nicht weiter beachtet, da die Ausgangssituation kein nennenswertes pathologisches Ausmaß aufwies. Die antibiotische Vorbehandlung betrug in der
Verum-Gruppe sechs Wochen, in der Placebo-Gruppe acht Wochen. Durch die antibiotische Nachbehandlung konnte eine signifikante und bleibende Besserung des Fatigue erzielt werden.
Allerdings ziehen die Autoren diese signifikante Besserung des Fatigue selbst in Zweifel; als Grund nennen sie eine vermutlich vorzeitige Demaskierung im Rahmen der Doppelblindstudie. Die
kognitive Leistungsfähigkeit der Patienten lag deutlich niedriger als bei gesunden Kontrollpersonen. Dieser Unterschied wird in der Arbeit nicht diskutiert. Im Gegensatz zu der Arbeit von Kaplan
et al zeigt sich in der Arbeit von Krupp et al eine signifikante Beeinträchtigung der kognitiven Leistungsfähigkeit in „objektiven neuropsychologischen Tests“. Die Ursache der eingeschränkten
Kognition wird in der Arbeit nicht diskutiert. Auch in der Arbeit von Kaplan et al gaben die Patienten nach antibiotischer Nachbehandlung eine signifikante Besserung der kognitiven
Leistungsfähigkeit an. Auf die Diskrepanz zwischen kognitiver Leistung bei Selbsteinschätzung bzw. neuropsychologischer Testung wird nicht
eingegangen. Die Autoren messen der fehlenden Besserung der kognitiven Leistungsfähigkeit (in neuropsychologischen Tests) größere Bedeutung bei als der nachgewiesenen signifikanten Verbesserung
des Fatigue.
Fallon et al
In der Studie von Fallon et al wurden Patienten mit chronischer Lyme-Borreliose im Hinblick auf Encephalopathie bzw. körperliche Beschwerden untersucht. Auch in dieser Studie waren die Patienten
zuvor an diagnostisch gesicherter Lyme-Borreliose erkrankt und antibiotisch behandelt worden (Erstbehandlung). Es wurde eine zehnwöchige Nachbehandlung mit Ceftriaxon 2 g täglich durchgeführt.
Die Symptomatik der Encephalopathie war zwölf Wochen nach Behandlungsbeginn (Nachbehandlung) gebessert, allerdings nur vorübergehend. 24 Wochen nach Behandlungsbeginn bestand kein Unterschied
zwischen Verum- und Placebo-Gruppe. Bei den körperlichen Beschwerden ergab sich dagegen eine signifikante und anhaltende Besserung. Die Autoren schlussfolgern, dass die Studie eine nur
vorübergehende Besserung der kognitiven Leistung aufweist. Bei prädiktiver Analyse
hat die Studie aus Sicht der Autoren nur explorativen Charakter, die Befunde müssen nach Ansicht der Autoren bestätigt werden. Sie äußern zudem, dass es anderer Behandlungsstrategien bedarf, die
sicherer und nachhaltiger sind. Entscheidend ist, dass die schweren (severe) körperlichen Beschwerden durch die antibiotische Nachbehandlung signifikant gebessert wurden, nicht dagegen die nur
milde bis mäßige Encephalopathie, die nur für drei Monate eine Besserung nach antibiotischer Nachbehandlung zeigte.
Feder et al
Die Arbeit von Feder et al stellt eine Meinungspublikation und keine Studie dar. Eine Kommentierung erübrigt sich.
Zitat
Die Persistenz von Bb nach antibiotischer Therapie wurde im Tierexperiment nachgewiesen. Über eine Übertragung dieser Befunde auf die Krankheitssituation des Menschen kann keine Aussage gemacht
werden.
Stellungnahme
Keine
Zitat
Bei einer Herxheimer-Reaktion reicht Behandlung mit Paracetamol aus, Kortison ist nicht erforderlich, das Antibiotikum soll weiter eingenommen werden.
Stellungnahme
Keine
Zitat
Tabelle 6 „Therapieempfehlungen bei Lyme-Borreliose“.
Stellungnahme
Die Tabelle enthält Angaben zur antibiotischen Behandlung bei lokalisiertem Frühstadium, bei disseminiertem Frühstadium und bei der Spätinfektion. Die Empfehlungen im lokalisierten und
disseminierten Frühstadium beziehen sich auf die Antibiotika Doxycyclin, Amoxicillin, Cefuroxim und Azithromycin. Die Behandlungsdauern betragen etwa zwei bis drei Wochen, für das Azithromycin
bis zu
zehn Tage.
Für das Spätstadium werden folgenden Antibiotika empfohlen: Doxycyclin, Amoxicillin, Penicillin G, Ceftriaxon, Cefotaxim. Die intravenös zu applizierenden Antibiotika (Penicillin G, Ceftriaxon,
Cefotaxim) kommen nur bei neurologischer Symptomatik zum Einsatz.
Zunächst sei darauf hingewiesen, dass Evidenz-basierte Studien über die antibiotische Behandlung nur für das Frühstadium vorliegen. Die antibiotische Behandlung des Spätstadiums beruht allein
auf Expertenmeinung. Folglich kann die antibiotische Behandlung im Spätstadium sich nicht auf ausreichende wissenschaftliche Erkenntnis stützen. Dies gilt für die Art des Antibiotikums, die
Dosierung und die Behandlungsdauer.
Insbesondere wird im Text nicht darauf hingewiesen, dass Bb über Abwehrmechanismen gegen Antibiotika verfügt. Dies betrifft insbesondere folgende Faktoren: Erregerresistenz, unzureichende
Gewebskonzentrationen, Aufenthalt von Bb intrazellulär, im ZNS bzw. in wenig durchbluteten Kompartimenten, Zystenbildung und andere Pleomorphismen sowie Biofilm. Bei der antibiotischen Behandlung
im Spätstadium sind diese Abwehrmechanismen von Bb zu beachten. Da bisher kein Antibiotikum zur Verfügung steht, dass all diese Handicaps überwindet, ergibt sich die Notwendigkeit einer synchron
kombinierten antibiotischen Langzeitbehandlung.
Zitat
Postinfektiöses Syndrom.
Stellungnahme
Sinngemäß wird das Post-Lyme-Syndrom (PLS) dargestellt. Anzumerken ist lediglich, dass das PLS als nosologische Entität nicht definiert ist. Dies entspricht auch der Auffassung in der Leitlinie
„Neuroborreliose“ der Deutschen Gesellschaft für Neurologie.