Hansen K, Lebech A
The clinical and epidemiological profile of Lyme neuroborreliosis in Denmark 1985-1990
Brain (1992), 115, 399-423
Zusammenfassung:
187 Patienten mit Lyme Neuroborreliose (LNB), Dänemark, 1985-1990. Einbezogen nur Patienten mit intrathekalen AK. 94% der Patienten hatten LNB im Stadium II (early second stage). Bannwarth am
häufigsten 61 % der Fälle, lediglich radikuläre Schmerzen 25% der Fälle, Myelitis 4%, akute Encephalitis ca. 0,5%. 6% chronischer Verlauf, d.h. Krankheitsdauer zwischen 6 Monaten und 6 Jahren und
zwar chronische Meningitis 1.6%, chronische Encephalomyelitis 4.3%. Im Liquor Pleozytose und Erhöhung von Proteinen, Penicillin G bei 91% der Patienten. Keine Therapieversager. Bei
Verlaufsbeobachtung bis zu 33 Monaten Krankheitsfolgen mit
Behinderung bei 5%.
Neuroborreliose ist eine verbreitete chrakteristische neurologische Erkrankung. Die Diagnose stützt sich auf einen entzündlichen Liquor und intrathekale Antikörper gegen Bb.
Ergebnisse:
Klinisches Krankheitsbild bei Erstdiagnose:
Die Schmerzen waren meistens hochgradig, ausgeprägter während der Nacht, zudem Hyperästhesie und Dysästhesie. Morphin nicht wirksam. Bei ausschließlich sensorischer Radikulitis Rückgang oder Verschwinden vor Behandlung innerhalb von 2-16 Wochen.
Cranielle Neuropathien waren bei 58% der Patienten nachweisbar. Auf den Nervus facialis entfielen etwa 80%, eine Abducenzparese lag bei 4% vor, in einem Fall lag die Störung im Bereich des
Occulomotorius.
LNB häufig verkannt. Beschwerden wurden auf andere Krankheiten (fälschlicherweise) zurückgeführt, z.B. Herpes zoster, Bandscheibenvorfall, Facettensyndrom, Plexopathie, Polymylagia rheumatika,
Herzinfarkt, Nierenkoliken.
Einige Patienten zeigten ein agitiertes Psychosyndrom, 7% wurden als hysterisch aufgefasst wegen der anscheinenden Disproportion zwischen den dramatischen Beschwerden und mangelnden
objektivierbaren Zeichen der Krankheit.
Neurologische Symptomatik:
Ort der neurologischen Störung korreliert mit Lokalisation des EM
Entwicklungszeiten bei LNB (Stadium II):
Alle Patienten mit Ausnahme von 9 Patienten zeigten Pleozytose. Bei den Ausnahmen handelte es sich um Patienten mit antibiotischer Vorbehandlung. Vorbehandlung mit Steroiden, spontaner Rückgang der Krankheit innerhalb von 3 Monaten.
Allgemeine Laborparameter:
Liquorbefund nach Behandlung (Penicillin G) nach 12 Tagen gebessert, 90 Tage nach Antibiose Pleozytose beseitigt (Tab. 6 d. Publ.). Die Behandlung erfolgte mit Penicillin oder sonstigen Antibiotika (s. S. 4). Aus Fallbeispielen ist zu entnehmen, dass die Behandlungsdauer etwa 10-14 Tage dauerte (Anm. d. Verf.).
Serologie (Blut):
Sonstige Ergebnisse:
Antibiotische Behandlung:
Jarisch Herxheimer Reaktionen trat bei keinem Fall auf.
Rasche Besserung der radikulären Schmerzen und der Kopfschmerzen
(In einigen Fällen Beseitigung innerhalb von 1-4 Tagen)
Mehrzahl der Fälle mit Schmerzen deutlich gebessert nach 1-4 Tagen, danach rezidivierend für 1-2 Wochen.
Intermittierende radikuläre Schmerzen und Dysästhesien dauerten 1-2 Monate, gelegentlich 6-12 Monate nach Therapie und zwar bei 20% der Patienten.
Besserung des Allgemeinbefindens und des Fatigue dauerte Monate.
Chronische Meningitis und chronische Meningoencephalitis zeigten Besserung nach Behandlung, allerdings langsamer aber nichts desto trotz deutlich.
Liquorbefund unter antibiotischer Behandlung:
Bleibende Folgeschäden:
Verlauf über einen Zeitraum von 4-72 Monaten (im Mittel 33 Monate):
In wenigen Fällen bestanden noch folgende Beschwerden:
Kein Patient zeigte eine Progression der Beschwerden.
Diskussion:
Sinngemäß:
Lyme-Neuroborreliose ist eine Manifestation der Frühphase. Die Entwicklung einer LNB 4-5 Monate nach Beginn eines unbehandelten Erythema migrans ist unwahrscheinlich.
Der Begriff „chronisch“ sollte auf Situationen beschränkt bleiben, bei denen keine Selbstlimitierung der Krankheit erkennbar ist oder bei persistierenden Entzündungszeichen im Liquor über 6
Monate.
Akute Encephalitis ist kein charakteristisches Zeichen für LNB, jedoch EEG in 31% der Fälle pathologisch.
Die chronische Encephalomyelitis ist gekennzeichnet durch eine langsam progressive Myelitis, wie sie von Ackermann et al (1985) und Kohler et al (1988) beschrieben wurde.
Bei Kindern radikuläre Schmerzen seltener. Meningismus, Kopfschmerzen, Fieber und Allgemeinsymptome häufiger. Die Symptomatik bei Kindern ist mitunter schwach ausgeprägt und entwickelt sich
allmählich.
LNB bei Jugendlichen wird wahrscheinlich unterschätzt.
Bei der Liquoruntersuchung können oligoklonales IgG oder sogar Bb spezifisches oligoklonales G bei der Diagnose der frühen und späten Lyme-Borreliose hilfreich sein.
Zu Beginn der LNB kann der Liquor in den ersten Tagen unauffällig sein. Pleozytose kann bei langen Krankheitsverläufen spontan zurückgehen. Monate nach dem Krankheitshöhepunkt können niedrige
oder normale Zellzahlen im Liquor gefunden werden, obwohl die Symptome persistieren. Diese Patienten weisen jedoch intrathekale Antikörper auf.
Polyneuropathie ohne Liquorveränderungen und ohne sonstige Symptome einer Lyme-Borreliose sind beschrieben (Halperin et al 1990, Logigian et al 1990).
Probleme bzgl. Serologie bei LB:
(Anmerkung Dr. Berghoff: Diese Ansicht wird durch Studien nicht gestützt. Zu beachten ist, dass die retrospektive Studie Patienten aus den Jahren 1985 bis 1990 betraf, es kann also nicht
ausgeschlossen werden, dass eine Selektion des Kollektivs in jener Zeit nicht zuletzt vom serologischen Befund im Blut abhängig gemacht wurde. Auch die zitierte Arbeit von Karlsson et al (1990)
kann diese
Aussage nicht belegen. In sonstigen Publikationen wurde in einem Teil der Fälle bei Lyme-Neuroborreliose Seronegativität festgestellt (vgl. Text „Liquordiagnostik bei Lyme-Neuroborreliose und
chronischer Lyme-Borreliose mit Encephalopathie“, www.praxis-berghoff.de).
Der prädiktive Wert intrathekaler Antikörper ist hoch; intrathekale AK’s sind oft früher nachweisbar als Antikörper im Blut.
Bei der antibiotischen Behandlung wurden keine Therapieversager festgestellt.
(Anmerkung Dr. Berghoff: Mit wenigen Ausnahmen handelte es sich um LNB im Frühstadium (Stadium II) in dem die antibiotische Behandlung bekanntlich günstig wirkt. Andererseits war die Behandlung
retrospektiv nicht adäquat. Entsprechend zeigten sich in einem erheblichen Prozentsatz der Fälle Krankheitsfolgen (vgl. S. 5).)