Lehrbuch Lyme-Borreliose


21.1

Anmerkungen zur Diagnostik der Lyme-Borreliose im Spätstadium


Für die Lyme-Borreliose steht derzeit kein sogenannter positiver Marker zur Verfügung, d.h. es gibt keine Untersuchungsmethode, insbesondere keine Laboruntersuchung, die bei positivem Ausfall die Erkrankung (Lyme-Borreliose) beweisen könnte. Daher muss sich die Diagnose der Lyme-Borreliose auf die Differentialdiagnose oder Ausschlussdiagnostik stützen. Sämtliche beim Patienten vorliegenden Symptome sind auf ihre Ursächlichkeit zu überprüfen und die nicht in Betracht kommenden Krankheiten (außer Lyme-Borreliose) sind im Rahmen einer solchen Ausschlussdiagnostik zu eliminieren.

Allerdings gibt es für die Lyme-Borreliose 4 Krankheitsbeweise:

  • Erythema migrans
  • Acrodermatitis chronica atrophicans
  • Akute Lyme-Neuroborreliose mit entsprechendem Liquorbefund
  • Erregernachweis

Das Erythema migrans ist beweisend für das Frühstadium der Lyme-Borreliose, jedoch auch für das Spätstadium, wenn es in Form eines rezidivierenden Erythema migrans auftritt. Darüber hinaus wird ein Erythema migrans die Plausibilität einer chronischen Lyme-Borreliose (Lyme-Borreliose im Spätstadium) erhöhen, wenn unmittelbar nach dem Frühstadium oder auch nach einem beschwerdefreien Intervall von Monaten oder mitunter Jahren Beschwerden auftreten, die mit einer chronischen Lyme-Borreliose vereinbar und differentialdiagnostisch nicht anders erklärbar sind.

Die Acrodermatitis chronica atrophicans ist für das Spätstadium beweisend.

Eine akute Lyme-Borreliose mit typischen Krankheitsmanifestationen und einem pathologischen Liquorbefund (positiver Antikörperindex Borrelien) gilt als eine gesicherte Diagnose.
Der Erregernachweis (Borrelien) mittels Polymerase-Kettenreaktion (PCR) oder Kultur wird bei entsprechender Symptomatik und Beachtung der Differentialdiagnose als Beweis einer bestehenden Lyme-Borreliose angesehen. – Jedoch gelingt der Erregernachweis nur selten, d.h. die Methoden sind wenig empfindlich. Aufgrund dieser geringen Sensitivität gehören Untersuchungen zum Erregernachweis nicht zur Routinediagnostik.


Die Diagnose einer chronischen Lyme-Borreliose stützt sich also auf folgende Säulen:

  • Anamnese
  • Körperlicher Untersuchungsbefund
  • Medizinisch-technische Untersuchungen (Serologie belegt nur die stattgehabte Infektion, nicht die Krankheit (Lyme-Borreliose))
  • Differentialdiagnose

Das Problem des fehlenden Krankheitsmarkers liegt auch bei einigen anderen Erkrankungen vor, z.B. sonstigen chronischen Infektionskrankheiten und z.B. bei der Multiplen Sklerose.

Da die Lyme-Borreliose im Spätstadium, also grundsätzlich in vielen Fällen nicht beweisbar ist, sind die besonderen Konsequenzen auf juristischer Ebene zu bedenken, dies ist allerdings nicht Gegenstand eines medizinischen Gutachtens.