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Kardinale Manifestationen |
Über die Häufigkeit kardialer Manifestationen bei der Lyme-Borreliose liegen keine systematischen Studien vor. Nach Schätzungen weisen in Europa 4% und in den USA 8% der LB-Patienten kardiale Symptome auf (vgl. 29). Die Häufigkeit einzelner Manifestationen der Lyme-Carditis sind aus der Übersicht von van der Linde, 1991 (20) ersichtlich; ausgewertet wurden vorausgegangene Studien verschiedener Autoren (Tab. 11.1). Weitere kardiale Manifestationen, die in der Übersicht von van der Linde nicht enthalten sind, sind in Tabelle 11.2 aufgeführt. Histologische Untersuchungen von Biopsaten zeigten interstitielle Infiltrate von Neutrophilen und Lymphozyten sowie Fibroseherde. Die Muskelzellen waren ödematös verändert, im Randbereich der Fibroseherde kamen Borrelien zur Darstellung (2).
Bezüglich eines artrioventrikulären Blockes III, der häufigsten kardialen Manifestation bei LB, führten Forrester und Kollegen eine Literaturrecherche im Auftrag der IDSA (Infectious Disease
Society of America) durch. Dabei ergab sich, dass in der Literatur insgesamt nur 45 Fälle einer AVB III bei Lyme-Carditis beschrieben sind. Diese Publikation lässt verständlicherweise keine
Schlüsse auf die tatsächliche Häufigkeit eines AVB III bei LB zu.
Borrelia burgdorferi wurde im Myocard sowie in Mitral- oder Aortenklappen nachgewiesen (23-27). Der Pathomechanismus der Lyme-Carditis ist ungeklärt.
Unklar ist auch der Zeitpunkt des erstmaligen Auftretens einer Carditis im Verlauf einer Lyme-Borreliose. Nach der Studie von Steere et al., 1980 (22) wurde die Carditis im Mittel 21 Tage (4-83
Tage) nach Krankheitsbeginn festgestellt, also in einem relativ frühen Stadium der Lyme-Borreliose. Die Studie orientierte sich an Erythema migrans bzw. erstmalige Auftreten einer Symptomatik der
Lyme-Borreliose nach Zeckenstich. Kardiale Symptome können jedoch auch erstmals im Spätstadium der Lyme-Borreliose auftreten (vgl. 2, 19, 21, 28).
Die häufigste kardiale Manifestation ist mit über 50% die Blockierung des AV-Knotens sowie Schenkelblockbilder und Herzrhythmusstörungen. Relativ häufig sind auch Pericarditis, Myocarditis und
Kardiomyopathie. Die Häufigkeit der Pericarditis liegt bei etwa 20%, eine Herzinsuffizienz auf dem Boden einer Myocarditis oder Kardiomyopathie tritt bei 15% der Fälle auf.
Die antibiotische Behandlung der Myocarditis und auch der Kardiomyopathie ist häufig erfolgreich (2, 21, 28, 30).
Schrittmacherversorgung ist in Anbetracht der günstigen antibiotischen Behandlung bei schwerwiegenden Erregungsüberleitungsstörungen meist nur passager erforderlich.
Die bei der Lyme-Borreliose häufig geschilderten Symptome in Form von Palpitationen (Herzklopfen) und thorakalen Schmerzen dürften kaum einer kardialen Erkrankung zuzuordnen sein, da diese sehr
häufige Symptomatik meist auch ohne objektivierende kardiale Befunde auftritt.
Die Kardiomyopathie, insbesondere auch die dilatative Kardiomyopathie, ist eine seltene Form der Lyme-Carditis. Entsprechende Fälle wurden durch Erregernachweis im Myokard belegt (30, 2). Nicht
selten ist die antibiotische Behandlung bei der Myocarditis und Kardiomyopathie effektiv, allerdings hängt der Behandlungserfolg von der Krankheitsdauer ab (29). Generell ist festzustellen, dass
die entzündliche Erkrankung des Myocards in zahlreichen Publikationen dargestellt wurde (vgl. Literaturverzeichnis).
Die wichtigsten Ursachen einer Myocarditis bzw. Pericarditis, also die Differentialdiagnose zur Lyme-Carditis, sind in Tabelle 11.3 und 11.4 dargestellt.