12.34 |
Cerebrale Läsionen bei LB |
Cerebrale Läsionen sind bei der Lyme-Borreliose bzw. Lyme-Neuroborreliose ein häufig beobachtetes Phänomen. Die Läsionen stellen sich im CT als „hypodense“- und im MRT als „hyperdense“-Herde dar.
Ursache sind Gewebsschädigung und nachfolgende Narbenbildung (Glioseherde), die im Wesentlichen durch Parenchymschädigung infolge Durchblutungsstörung oder durch entzündliche Prozesse im
Hirnparenchym zustande kommen (Abb. 12.42).
Die Läsionen sind nicht spezifisch für eine Lyme-Borreliose, sie kommen auch bei anderen Erkrankungen vor (Ischämie, SLE, Behcet-Krankheit, sonstige Vasculitiden, humanes T-Zell-Leukämie-Virus-I,
Sarkoidose).
Auch bei aktuell gesunden Personen werden derartige Läsionen gelegentlich beobachtet. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Läsionen ohne Krankheitsbedeutung wären. Vielmehr muss in solchen Fällen
angenommen werden, dass vorausgegangene (unbemerkte) Erkrankungen zu den Läsionen führten. Die Läsionen stellen also nicht etwa eine Normvariante bei Gesunden dar.
Der im medizinischen Alltag oft benutzte Ausdruck „unspezifische Läsionen“ impliziert also im Wesentlichen, dass die Ursache unklar ist. Daher müsste nicht von „unspezifischen Läsionen“, sondern
von „Läsionen ungeklärter Ursache“ gesprochen werden.
Nicht selten werden die cerebralen Läsionen bei der Lyme-Borreliose als „mikroangiopathisch“ deklariert.
Eine solche Einschätzung beruht in der Regel auf der Interpretation des Radiologen; in der praktizierten Medizin kommt diese Fehleinschätzung häufig vor. Im Hinblick auf die Lyme-Borreliose ist
zu beachten, dass die cerebralen Läsionen meistens in multipler Form auftreten. Ursache sind entzündliche Veränderungen im ZNS-Parenchym, allerdings sind selten vorkommende Vasculitiden als
pathophysiologische Alternativen zu betrachten. Grundsätzlich gilt, dass der Begriff „mikroangiopathisch Läsionen“ nur verwendet werden kann, wenn im Gesamtzusammenhang von einer cerebrovasculäre
Erkrankung auszugehen ist. Unter einer solchen Bedingung liegt die Ursache in einer Okklusion einzelner penetrierender Äste von großen cerebralen Arterien. Allerdings lassen sich solche
Verschlüsse von Arterienästen angiographisch nicht darstellen. Voraussetzung für die Diagnose eines mikroangiopathisch Infarktes (lacunarer Infarkt) ist der Nachweis einer entsprechenden
cerebralen Läsion im Marklager und eine hierzu passende subklinische Symptomatik. Voraussetzung für die Diagnose eines lacunären Infarktes ist also der Nachweis einer cerebrovasculäre Erkrankung
und deren prädisponierenden Faktoren.
Die im 19. Jahrhundert diskutierte vasculäre Demenz (M. Binswanger) entspricht nicht modernen pathophysiologischen Erkenntnissen. Eine vasculäre Demenz wird heute nurmehr im Zusammenhang mit dem
Multiinfarkt-Syndrom diskutiert. Ein solches Krankheitsbild ist also von den cerebralen Läsionen der Lyme-Borreliose weit entfernt.
Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass bei der Lyme-Neuroborreliose gelegentlich auch Läsionen im corticalen Bereich vorkommen. Dies ist im Zusammenhang mit einer entsprechenden Anamnese,
einer zutreffenden Beschwerdesymptomatik und bei Beachtung der Differentialdiagnose ein wesentlicher Hinweis auf die Lyme-Neuroborreliose.
Zwecks detaillierter Information und besserer Zuordnung werden die wesentlichen Publikationen in der folgenden Literaturübersicht epikritisch zusammengefasst.